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Dekanat

Wissenschaft und Praxis im Gespräch

„Strategie weiterentwickeln – Neue Ziele auf bewährten Wegen“
V.l.n.r.: Dr. Cornelius Riese, Andre Schmeis, Leonhard Zintl, Prof. Dr. Theresia Theurl, Christian Polenz (vorne), Heinz Hüning (hinten), Ansgar Käter, Andreas Knief.

Das sich ändernde regulatorische und politische Umfeld, die wirtschaftliche Entwicklung mit ihrer Abschwächung, weiter sinkenden Zinsen und Disruptionen: Für diese Rahmenbedingungen müssen die Genossenschaftsbanken und die Genossenschaftliche FinanzGruppe ihre Strategie finden. Wie können heute Strategien entwickelt werden und mit welchen Instrumenten? Welche sind die Antworten der und in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, die ihren Erfolg auch in Zukunft sicherstellen?

Die neueste Veranstaltung der erfolgreichen Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ widmete sich daher dem aktuellen Oberthema „Strategie weiterentwickeln – Neue Ziele auf bewährten Wegen“. Der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen Münster unter der Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl sind über 300 Teilnehmer gefolgt, um diese Thematik zu diskutieren.

Dr. Cornelius Riese, Co-Vorstandsvorsitzender der DZ BANK AG, präsentierte im Rahmen seines Vortrags „DZ BANK – Herausforderungen, Strategieentwicklung, Zukunftsperspektiven“ sieben Prioritäten, welche Genossenschaftsbanken und die genossenschaftliche FinanzGruppe beschäftigen. Die erste Priorität bringt zum Ausdruck, dass sich die Hoffnung auf eine Zinswende vorerst nicht erfüllt und hierdurch traditionelle Geschäftsmodelle leiden. Dieser Umstand müsse jedoch als Rahmenbedingung akzeptiert werden. Die zweite Priorität beschreibt das Ende einer klassischen Regulatorikphase. Mit der Regulierung banknaher Unternehmen bestehe die Hoffnung auf Wettbewerbsgleichheit. Nachhaltigkeit manifestiert sich als dritte Priorität, welche jedoch frei von Weltanschauungen betrachtet werden müsse. Genossenschaftsbanken können sich mit der regionalen Verwurzelung hierbei auf ihren Ursprung besinnen. Mit der vierten Priorität wurde aufgezeigt, dass Kunden keine komplizierten Lösungen akzeptieren. Ein veränderter PoS zwingt Banken, Kundenschnittstellen zukunftsorientierter zu nutzen. Mit der fünften Priorität wird darauf hingewiesen, dass der Misserfolg einiger Großbanken ein insgesamt negatives Bild auf die Bankenwelt wirft. Politische Entscheidungen, welche zunehmende Europäisierung beinhalten, erweisen sich daher häufig als falsch. Im Rahmen der sechsten Priorität wurden mit dem kompletten IT-System-Ersatz sowie dem intelligenten Rückbau zwei Alternativen für den zukünftigen IT-Einsatz aufgezeigt. Die Transformation sowie die Notwendigkeit, Menschen zu bewegen, konkretisiert sich als siebte Priorität. Als „Appell zum Situativen“ wurde dafür plädiert, dass jedes Institut für sich entscheiden müsse, in welche Richtung der Weg gehen soll.

Christian Polenz, stellv. Vorstandsvorsitzender der TeamBank AG berichtete im Rahmen seines Vortrags „Von neuen Technologien zu neuen Strategien“ von der Notwendigkeit innovativer Geschäftsprozesse im Zuge disruptiver Wettbewerber. Application Programming Interfaces (APIs), welche Programmierschnittstellen verkörpern, erweisen sich für eine nachhaltige Wettbewerbsveränderung als hauptverantwortlich. In der Konsequenz führen APIs dazu, dass theoretisch jedes branchenfremde Unternehmen Bankdienstleistungen anbieten kann. Mit Verweis auf das berühmte Bill Gates-Zitat „Banking is necessary – banks are not” führte Polenz hierbei mit Uber und Apple Pay Beispiele an, die den meisten Menschen bekannt sind. Neben dem Zahlungsverkehr betrifft dies jedoch auch zunehmend das Finanzierungsgeschäft. Das ursprünglich als Zahlungsdienstleister gestartete PayPal, welches mittlerweile auch Ratenzahlungsangebote unterbereitet, dient als exemplarisches Beispiel. Ein solches Überangebot führt dazu, dass sich der Kundenanspruch fundamental verändert. Die Kernfrage, welche sich Genossenschaftsbanken hierbei zu stellen haben, ist, welcher Weg im Zuge einer solchen Entwicklung zu bestreiten ist. Die TeamBank hat diesbezüglich bereits ihre Antwort im Rahmen eines iterativen Prozesses gefunden. Ein Eingriff in den Zahlungsverkehr sowie der Versuch einer Etablierung eigener Ökosysteme vor dem Hintergrund der finanzstarken Konkurrenz wurde hierbei als nicht zielführend erachtet. Vielmehr sehe man die Stärkung seiner Kernkompetenz, die Nähe und die Begleitung des Kunden als einzige Strategieoption. Diese dürfe jedoch nicht auf Basis antiquierter Vorgehensweisen erfolgen, in welchen der „klassische Bankbeamte“ maßgeblich auf Kreditgewährung oder lange Beratungsgespräche setzen würde. Ein Übergang in eine moderne Bankenwelt sei gefordert, in welchem vor allem digitale Ansprachen zählen. Hierdurch verzeichnet die TeamBank bereits Geschäftserfolge, die sich in deutlich geringerem Aufwand, größeren Geschäftsvolumina sowie in einer intensiveren Kundenbindung widerspiegeln.

Andre Schmeis, Vorstand der VR-Bank Rhein-Sieg eG, referierte über Trends, welche die Strategie bestimmen. Hierbei ist die Geschäftsleitung für die Geschäftsstrategie verantwortlich, was anhand der MaRisk, welche Anforderungen an den Strategieprozess festlegen, verdeutlicht wurde. Demnach ist eine Geschäftsstrategie festzulegen, in der Ziele und Maßnahmen dargestellt werden. Bei der Festlegung und Anpassung der Geschäftsstrategie sind dabei sowohl externe und interne Einflussfaktoren zu berücksichtigen, wobei hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der relevanten Einflussfaktoren Annahmen zu treffen sind. Aufgrund zahlreicher Faktoren, die die Zukunft beeinflussen werden, stellen heutige Annahmen jedoch eine Herausforderung dar. Bei deren Bewältigung kann „Deep view“, ein KI-Tool zur weltweiten Datenbankrecherche, helfen. Konkret wird das genossenschaftliche Bankgeschäft 2030 skizziert und mögliche Treiber identifiziert. Dass bspw. die Themen KI/Big Data eine Rolle spielen gelte als sicher. Als unsichere Faktoren werden soziale, ökologische, wirtschaftliche und politische Treiber dargelegt. Für deren Umgang sieht Schmeis vier Zukunftsszenarien. Erstes Szenario sei ein genossenschaftliches Powerplay, in welcher der Mensch im Mittelpunkt steht. Im zweiten Szenario fungiere die Bank als Marktplatz, während sich im dritten Szenario die Genossenschaftsidee neu erfindet. Ein viertes Szenario sei die Disruption des genossenschaftlichen Bankings. Diese gegensätzlichen Ausprägungen machen jedoch eine hohe Anpassungsfähigkeit notwendig. Zur Erreichung werden zwei Handlungsfelder identifiziert. Erstens die Bündelung der Aktivitäten hinsichtlich einer Trendanalyse, das Ideenmanagement und das Prototyping und zweitens die Förderung der Umsetzungsbreite und -tiefe der innovativen Ansätze innerhalb der Gruppe.

Heinz Hüning, Vorstand der Volksbank Heiden eG und ehemaliger Vorsitzender der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG Genobanken), referierte in seinem Vortrag „Wir haben Bock auf Zukunft – Strategieentwicklung vor neuen Herausforderungen.“ über die erfolgreiche Strategieentwicklung seines Instituts. Anhand ausgewählter Kennzahlen seiner Bank, unterstrich Hüning, dass das Geschäftsmodell kleiner Genossenschaftsbanken eine vielversprechende Zukunft haben kann. Die zwei Erkenntnisse zum Erfolg waren hierbei, dass die lokale Verankerung in einem verschärften Wettbewerb genutzt werden soll (hierüber referierte Heinz Hüning bereits 2011 im Rahmen der Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“) und, dass die Nähe und Emotionalität als Chance für den Vertrieb einzustufen ist. Nach der retroperspektiven Betrachtung zeigte Hüning auf, wie sich die Volksbank Heiden in den nächsten Jahren aufstellen möchte. Sie soll selbständig erfolgreich sein, die Kernkompetenz soll in der „Persönlichen Beziehung“ liegen und die Prozesse und Produkte sollen einfach ausgestaltet sein. Zudem werde die Digitalisierung als Chance begriffen, um die Geschäftsausweitung und Verschlankung weiterer Prozesse voranzutreiben. Besonders wichtig sei hierbei, die Kunden und Mitarbeiter mitzunehmen und einzubeziehen. Dies kann bspw. durch die Möglichkeit der Kommunikation über WhatsApp geschehen, durch regelmäßige Führungsrunden und Mitarbeitergespräche sowie eine Vorstellung der Projektpläne und Diskussionen in lockerer Runde. Hüning gab zudem einen Einblick in umgesetzte und gegenwärtige Projekte und Veränderungen, die zur Erreichung des Zielbildes beitragen. Er nannte dabei unter anderem die Einführung von „easyCredit“, einer „Du-Kultur“ und eines legereren Dresscodes im Büro, die Umstellung auf einfachere und weniger Produkte (Straffung des Produktportfolios) sowie bauliche Veränderungen.

Abschließend widmeten sich vier Diskutanten in einer Podiumsdiskussion unter Moderation von Prof. Dr. Theurl den strategischen Aspekten der aktuellen Marktlage und insbesondere der Frage der Kundennähe in Zeiten von Fusionen und Digitalisierung. Zwar halten die kommenden drei Jahre nach Einschätzung von Dr. Cornelius Riese, Co-Vorstandsvorsitzender der DZ Bank AG, wesentlich größere Herausforderungen bereit als die vergangenen Jahre, doch sieht er den genossenschaftlichen Verbund hierfür grundsätzlich gut aufgestellt. Es gelte an dem Erfolgsrezept der Organisation insgesamt festzuhalten und die Heterogenität durch kritisch konstruktive Diskussion für sich zu nutzen. Aufgabe der DZ Bank AG als zentrale Einheit sei es dabei, brillante Lösungen für den Bankarbeitsplatz zu generieren, um jedem einzelnen Mitarbeiter die Mittel für eine kundennahe Betreuung an die Hand geben zu können. Dabei sei mit Blick auf die Digitalisierung auch die Zusammenarbeit mit der Fiducia/GAD als dem Informationsdienstleister des Verbunds von zentraler Bedeutung.

Als Führungskraft eines Instituts mit einem geographisch sehr großen Geschäftsgebiet trug Ansgar Käter, Vorstandsvorsitzender der VerbundVolksbank OWL eG, ein dezentrales Modell im Außenauftritt als Erfolgsfaktor vor. Zwar trage die lokale Ausrichtung mit nach außen hin individuell auftretenden Zweigniederlassungen nicht zur Kosteneinsparung bei, würde aber in einem hohen Maße zu Kundennähe und -bindung führen. Hinter den Kulissen und insbesondere im Bereich der Digitalisierung indes seien trotz anfänglicher Alleingänge seines Hauses auch in der IT-Entwicklung insgesamt einheitliche Verbundlösungen das Ziel für die Zukunft.

Die weitaus größte Herausforderung im aktuellen Umfeld sah Andreas Knief, Vorstand der Volksbank Haselünne eG, für seine Bank in den Niedrigzinsen. Als strategisches Mittel seien Fusionen eine Option, aber sicher kein Allheilmittel. Solange man dem Kunden durch die individuelle Identität des Instituts auf lokaler Ebene weiterhin einen Mehrwert erbringe, gäbe es vielmehr eine starke Daseinsberechtigung in der konkreten Ausgestaltung. Die aktuelle Situation würde aber sicherlich ein Umdenken in den Geschäftsmodellen erforderlich machen, um vom Zins unabhängiger zu werden. Wichtig sei es zudem, Personal nicht als Kostenfaktor, sondern als Investment in die Zukunft des Instituts zu sehen. Auf diesem Wege sei es auch möglich, die Kontaktzahl zum Kunden zu erhöhen – Kundennähe müsse somit nicht neu erfunden, aber das Verständnis der Erwartungen des Kunden an die Bank mitunter noch einmal hinterfragt werden.

Auch Leonhard Zintl, Vorstand der Volksbank Mittweida eG, warb dafür, zwischen Kosten und Personal zu unterscheiden. Während fallabschließende Prozesse für den Gesamtverbund Chancen auf Kostenvorteile bereithielten, die es zu nutzen gelte, müsse im digitalen Zeitalter an der Methodenkompetenz jedes einzelnen Mitarbeiters gearbeitet werden, um für den Kunden den nötigen Mehrwert im individuellen Austausch erbringen zu können. Dabei sei bei der Integration des Digitalen in das Geschäftsmodell insbesondere auch der Vorstand gefordert, seinen Mitarbeitern trotz möglichen Widerständen eine positive Vision für die Zukunft aufzuzeigen. Das Zitat von Karl Valentin sorgte im Plenum nicht nur für Erheiterung, sondern auch für breite Akzeptanz: „Heut regnet‘s, mich freut’s – denn wenn es mich nicht freut, regnet’s trotzdem.“ Auch die aktuelle Lage biete viele Chancen für jene, die sie zu nutzen wüssten.

Und so verabschiedete Prof. Dr. Theurl Diskutanten und Zuhörer mit einem optimistischen Blick in die Zukunft und der Aussicht auf die nächste Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ am 25. Januar 2021 in Münster.

Quelle: Institut für Genossenschaftswesen Münster (Autoren: Benedikt Lenz, Robin Schupp und Robin Wolf)