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Dekanat

Wohnungsgenossenschaften – nach innen und außen attraktiv gestalten

v.l.n.r.: Prof. Dr. Jörg Erpenbach, RA Alexander Rychter, Andreas Vondran, Prof. Dr. Theresia Theurl, Thorsten Kleinebekel, Martin Frysch, Franz-Bernd Große-Wilde

Am 13. März 2019 fand das 33. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ des Instituts für Genossenschaftswesen statt, das wie gewohnt zusammen mit dem VdW Rheinland Westfalen veranstaltet wurde. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des langjährigen Kooperationspartners, der Wohnungsgenossenschaft Düsseldorf Ost e.G. (WOGEDO), wurde dieses Mal im Van der Valk Airporthotel in Düsseldorf getagt. Spitzenvertreter aus Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und Politik referierten vor mehr als 100 Teilnehmern über die Aufgabe, in angespannten Wohnungsmärkten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Insbesondere wurden die Herausforderungen durch zunehmende regulatorische Anforderungen und politische Entscheidungen, begleitet von häufig emotionalen öffentlichen Debatten, thematisiert.

Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen e.V., eröffnete das Symposium und begrüßte die zahlreichen Teilnehmer in Düsseldorf. Insbesondere freute er sich dabei über die Anwesenheit vieler Gäste aus der Wohnungspolitik. Er beleuchtete die Frage, wie die Politik den Wohnungsbau attraktiver machen kann und sprach dabei auch zahlreiche Probleme der Wohnungswirtschaft an, die auf politisches Handeln zurückzuführen seien. So kritisierte er unter anderem die sogenannte Mietpreisbremse, die starre Kappungsgrenze und Fehlanreize infolge von Schwierigkeiten, Sanierungs- und Modernisierungskosten über Anpassungen der Mietpreise zu decken. Rychter äußerte sich außerdem besorgt über die öffentliche Debatte zu bezahlbarem Wohnraum, welche aus seiner Sicht zunehmend „schriller“ geführt werde. Er verwies dabei auf Demonstrationen gegen Wohnungspreise, Hausbesetzungen, Forderungen nach Enteignungen von Wohnraumanbietern und Bürgerinitiativen, die einerseits günstigere Mieten fordern, aber andererseits die Ausweisung von neuem Bauland blockierten. Weiterhin kritisierte er die im Zuge der Grundsteuerreform aufgekommene Forderung, deren Umlagefähigkeit abzuschaffen. Die Steuer werde dabei eher als eine Art Vermögensabgabe angesehen und nicht als eine Äquivalenzsteuer, mit welcher die Infrastruktur für die Anwohner finanziert werden soll. Maßnahmen wie das NRW-Wohnungsbauförderprogramm oder Finanzhilfen des Bundes begrüßte Rychter hingegen.


RA Alexander Rychter

Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion zwischen den Landtagsabgeordneten Monika Düker (Bündnis 90/ Die Grünen), Hans-Willi Körfges (SPD), Stephen Paul (FDP) und Peter Preuß (CDU) zum Thema „Wohnungsgenossenschaften stärken – was kann die Politik tun?“ statt. Moderatorin Prof. Dr. Theresia Theurl fragte die Diskutanten dabei zunächst, was die jeweiligen Parteien dafür getan hätten, dass Genossenschaften Wohnraumprobleme lösen können. Düker, die selbst Aufsichtsratsmitglied der WOGEDO ist, sagte dazu, dass grundsätzlich mehr Bauflächen nötig seien, diese aber mit hohen Kosten und vielen Auflagen verbunden seien, weshalb auch Genossenschaften nur schwer günstigen Wohnraum bereitstellen können. Es sollten mehr Flächen von den Kommunen selbst bereitgestellt werden. Körfges begrüßte in diesem Zusammenhang die Option, das Baukindergeld auch zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu verwenden und betonte die Wichtigkeit der Gleichstellung kommunaler und privater Wohnungsunternehmen. Preuß beklagte Fehlanreize bezüglich der Modernisierungsumlage und forderte von den Kommunen, Grundstücke ohne hohe Preisaufschläge zu veräußern. Paul kritisierte, dass Kommunalpolitik primär auf die Interessen der bereits ansässigen Wähler Rücksicht nehme und viele Bauprojekte am Widerstand der Anwohner scheiterten. Daraufhin thematisierten die Teilnehmer Probleme bei Bauvorhaben im vorstädtischen Bereich, wo zahlreiche Vorschriften bezüglich Naturschutz und Flächenversiegelung Herausforderungen darstellen. Preuß kritisierte diesbezüglich, dass einerseits die Berücksichtigung der Klimaziele im Wohnungsbau teuer, aber andererseits günstiger und dementsprechend schlichterer Wohnungsbau unerwünscht sei. Die Vertreter der FPD und der CDU kritisierten außerdem die bereits von Alexander Rychter problematisierte Forderung, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer einzuschränken. Zuletzt sollten alle Teilnehmer kurz auf die Fragen eingehen, was sie für Wohnungsgenossenschaften tun würden, wenn sie nicht auf sonstige Interessen Rücksicht nehmen müssten und welche in der Vergangenheit beschlossenen wohnungspolitischen Maßnahmen sie ggf. zurücknehmen würden. Paul sprach sich dabei dafür aus, die Maßnahmen der Landesregierung fortzuführen und die Erteilung von Baugenehmigungen zu erleichtern. Preuß forderte darüber hinaus, Wohnungsgenossenschaften auf Bundesebene steuerlich zu fördern. Düker schlug für die Erteilung von Baugenehmigungen einen Zeitraum von sechs Wochen als Ziel vor. Körfges forderte außerdem, die Privatisierung von Wohnraum zu stoppen und den Verkauf von Baugrundstücken nicht als Instrument zur kommunalen Haushaltssanierung zu nutzen.


v.l.n.r.: Stephen Paul (FDP), Peter Preuß (CDU), Prof. Dr. Theresia Theurl, Monika Düker (Bündnis 90/Die Grünen). Hans-Willi Körfges (SPD)

Anschließend referierte Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauvereins Dortmund eG, zum Thema „Modernisierung im neuen Mietrecht – neue Schranken für die Erfüllung der Mitgliedschaftsidee?“. Nach einer kurzen Vorstellung der Genossenschaft stellte er die Zielkonflikte dar, mit denen diese konfrontiert ist. Einerseits müssten Genossenschaften hohe Investitionen in den angebotenen Wohnraum tätigen, was auch nötig sei, da ein Verkauf nur schwer möglich ist. Dabei seien viele Faktoren von Energie- und Umweltfragen bis hin zur Soziokultur zu berücksichtigen. Andererseits soll den Mitgliedern möglichst preiswerter Wohnraum bereitgestellt werden, wobei sich die Preise der Genossenschaft unterhalb der in Dortmund üblichen Vergleichsmiete befinden. In diesem Zusammenhang bestehe das Risiko, dass Investitionen von den Mietern als negativ angesehen werden. Zusätzlich zu diesen Anforderungen benötigt die Genossenschaft wie auch ihre Mitglieder Planungssicherheit. Hier kritisierte der Referent Fehlanreize bei der Anrechenbarkeit von Investitionen auf die Miete sowie gesellschaftliche Debatten, beispielsweise über Enteignung von Wohnraumanbietern. Auf Nachfrage von Prof. Theurl äußerte Große-Wilde an die Politik den Wunsch nach mehr Sachlichkeit und Transparenz über künftige Rahmenbedingungen und warnte vor der Gefahr, dass Vermieter aufgrund von finanziellen Defiziten notwendige Elemente aus ihrem Wohnraumangebot weglassen.


Franz-Bernd Große-Wilde

Andreas Vondran, Vorstand der WOGEDO Düsseldorf trug daraufhin zum Thema „Unternehmenskultur WOGEDO – 100 Jahre und kein bisschen greise“ vor. Er ging dabei besonders auf die Herausforderung ein, qualifizierte Mitarbeiter für die Genossenschaft zu gewinnen. Dafür müsse man unter anderem die digitale Entwicklung nutzen, um entsprechende Zielgruppen zu erreichen. Vondran warnte insbesondere davor, soziale Medien dabei als „unsinnig“ zu empfinden. Außerdem gewinnen soziale Rahmenbedingungen im Vergleich zur Bezahlung zunehmende Bedeutung für Mitarbeiter. Dementsprechend müsse sich die Führungskultur anpassen. Die WOGEDO hat für diese Ziele mehrere Richtlinien entwickelt, die beispielsweise Mitarbeiterbeteiligung, Flexibilität und ein Gemeinschaftsgefühl sicherstellen sollen. Bei einer Mitgliederbefragung ergab sich schließlich eine extrem hohe Zufriedenheit mit den Angestellten, welche die WOGEDO auch selbst als guten Arbeitgeber empfinden.


Andreas Vondran

Unter dem Titel „Mitgliedschaft – Teil der Wertschaffung von Genossenschaften“ ging Prof. Dr. Jörg Erpenbach anschließend darauf ein, wie man die Zufriedenheit der Mitglieder feststellen und bei Bedarf verbessern kann. Beispielsweise habe er von einer Gruppe Studenten die Rückmeldung bekommen, dass das Logo der im Vortrag vorgestellten Hagen eG vielen völlig unbekannt sei und von jüngeren Leuten als nicht besonders ansprechend empfunden werde. Ebenso sollten die Mottos vieler Wohnungsgenossenschaften überdacht werden. Er nannte dazu das Beispiel „gut und sicher wohnen“, was für jede Genossenschaft eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber keine gezielte Werbung um Mitglieder darstellen könne. Um ein genaues Bild über die Zufriedenheit der Mitglieder zu bekommen, erhalten diese regelmäßig einen 10-seitigen Fragebogen. Dabei habe sich beispielsweise ergeben, dass für viele bezahlbare Mieten und schnelle Hilfe besonders wichtig ist, während Mitbestimmung eine eher untergeordnete Bedeutung hat. Auch habe sich ergeben, dass eine breite Präsenz der Hagen eG in sozialen Medien nicht erwünscht sei, weswegen diese nur auf Youtube aktiv ist.


Prof. Dr. Jörg Erpenbach

Daraufhin referierte Prof. Dr. Theresia Theurl, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, zum Thema „Wohnungsgenossenschaften – Wohnraummarkt- und mitgliedergerecht planen und schaffen“. Zunächst ordnete sie dazu die Diskussion um hohe Mieten in angespannten Wohnungsräumen in einen Gesamtkontext ein. So werde in den Medien hauptsächlich über die Situation in Metropolregionen berichtet, aber weniger über geringe Mieten und Leerstände im ländlichen Raum. Daher sei vor allem die Wohnraumverteilung eine Herausforderung. Ebenso ist im Rahmen der demographischen Entwicklung davon auszugehen, dass in mittelbarer Zukunft die Gesamtnachfrage nach Wohnraum zurückgeht. Dem steht allerdings das Wachstum von Ein- und Zweipersonenhaushalten entgegen. Ebenso betonte Prof. Theurl, dass eine gute Verkehrsanbindung an die Oberzentren zur Entlastung der dortigen Wohnungsmärkte Teil der Wohnungspolitik sein muss. Anschließend stellte die Referentin Erkenntnisse aus einer regelmäßigen Befragung von Genossenschaftsmitgliedern vor. Dabei falle auf, dass Genossenschaftsmitglieder mehrheitlich älter als der Bevölkerungsschnitt und die jüngeren Mitglieder tendenziell unzufriedener mit ihrer Wohnsituation seien. Ebenso unterscheiden sich ältere Mitglieder von den jüngeren durch eine höhere Wertschätzung gemeinsamer Aktivitäten. Zuletzt nannte die Professorin Optionen, die künftig die Bereitstellung von günstigem Wohnraum bei Erhaltung der Wirtschaftskraft der Genossenschaft sicherstellen können. Beispielsweise könne in strukturstarken Regionen Nachverdichtung, die Erschließung neuer Stadtviertel oder eine Verlagerung der Wohngebiete in Subzentren zu diesem Ziel beitragen. Eine gute Anbindung an die Oberzentren sei hingegen auch für strukturschwache Regionen nötig. Gegebenenfalls müsse eine Reduzierung der Anforderungen an den Wohnraum erwogen werden. Bei der Bewältigung all dieser Herausforderungen sollte ein angemessener Mittelweg zwischen den vielseitigen Anforderungen gefunden und stets die Kommunen miteinbezogen werden.


Prof. Dr. Theresia Theurl

Thorsten Kleinbekel vom Vorstand der Wohnbau Lemgo eG berichtete im Anschluss zum Thema „Regionalen Ausgleich schaffen – Wohnungsgenossenschaften stärken das Umland und entlasten Ballungsräume“. Die betrachtete Region Ostwestfalen sei dabei durch strukturstarke- und -schwache Gebiete geprägt. Kleinbekel stimmte dabei der von Prof. Theurl angesprochenen Notwendigkeit zu, den Ausbau von Verkehrsanbindungen in die Wohnungsbaupolitik einzubeziehen. Er legte dar, dass gerade schlecht angebundene Standorte aus ebendiesem Grund von niedriger Wohnungsnachfrage geprägt seien. Als Beispiel präsentierte er ein Projekt in der Gemeinde Leopoldshöhe, einem gut angebundenen Subzentrum von Bielefeld, das in der jüngeren Vergangenheit von intensivem Bevölkerungszuzug geprägt war. Dabei werde insbesondere auf einen Mix verschiedener Wohnungstypen und das Zusammenleben mehrerer Generationen geachtet. Die dazugehörigen Grundstücke konnten dabei für die Hälfte des ortsüblichen Bodenrichtwertes erworben werden. Zuletzt sprach Kleinbekel allerdings das Problem an, dass es Widerstände durch viele dort seit langem ansässige Bewohner gibt, die für ihre Gemeinde keine Funktion als Entlastungsgemeinde wollen. Bei ähnlichen Projekten im Mittelzentrum Lemgo habe es keine derartigen Probleme gegeben.


Thorsten Kleinebekel

Im letzten Vortrag referierte Martin Frysch vom geschäftsführenden Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Köln-Sülz eG zum Thema „Lebenswert in Ballungsräumen zu vertretbaren Preisen bauen – geht das?“. Bezüglich der Frage, was überhaupt vertretbare Preise seien, grenzte er das betrachtete Gebiet zur Region des vorherigen Vortrages ab. So seien die Quadratmeterpreise im Zentrum von Köln mehr als zehnmal so hoch wie die von der Wohnbau Lemgo eG in Leopoldshöhe gezahlten. Im Rahmen des Projektes „Anton + Elisabeth“ errichtet die Genossenschaft im Zentrum von Köln eine Wohnanlage mit breitem Nutzungsmix, in der sowohl verschiedene Generationen und Haushaltsformen vorkommen als auch verschiedene Einrichtungen wie Gastronomie, Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder Arztpraxen vertreten sein sollen. Der Referent verglich dieses Projekt mit einem Dorf innerhalb der Stadt. Aus der trotz unterlassener Werbung sehr starken Nachfrage leitete Frysch ab, dass die Preise als bezahlbar angesehen werden. Allerdings beziehe sich diese eher auf knapp bemessenen Wohnraum, während die Finanzierung von größeren Wohneinheiten für Familien problematisch sein könne. Auch Frysch beklagte mangelnde öffentliche Unterstützung. So seien die Kriterien für öffentlich geförderten Wohnraum in der betrachteten Region realitätsfern.


Martin Frysch

Das 34. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ wird am 26. November 2019 in Münster stattfinden.