Bauen und Wohnen - Neue Qualitäten für Mitglieder schaffen

Am 21. März 2018 fand das 31. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster in Kooperation mit dem VdW Rheinland Westfalen e.V. statt. Spitzenvertreter aus Wohnungswirtschaft und Wissenschaft referierten vor rund 110 Teilnehmern über langfristige Strategien im Wohnungsbau um flexibel auf gegenwärtige und zukünftige Anforderungen an Wohnqualität reagieren zu können. Insbesondere die Nutzung unterschiedlicher Baustoffe sowie die ganzheitliche Planung von Energiebilanzen konnten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Darüber hinaus zeigte die Diskussion unter den Referenten und Teilnehmern, dass die Vernetzung von Mobilitätskonzepten und Quartiersentwicklung Mehrwerte für Mitglieder und Mieter schaffen kann.
RA Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen e.V., eröffnete das Symposium und begrüßte die zahlreichen Gäste in Münster. Dabei skizzierte er die externen Einflüsse auf die Bauwirtschaft. Insbesondere in Ballungsgebieten sei eine Verknüpfung von Wohnungs- und Mobilitätspolitik erforderlich, um dem steigenden Druck innerhalb des Wohnungsmarktes zu begegnen. Darüber hinaus appellierte Rychter in seiner Begrüßung an die Wohnungsgenossenschaften ihre ureigenen Kompetenzen in die Überlegungen zu Lösungsansätzen in Stadt- und Wohnquartieren einzubringen.
In ihrem Vortrag „Bauen und Wohnen: Wie beeinflussen neue Rahmenbedingungen das Handeln von Wohnungsgenossenschaften?“ stellte Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, die Anforderungen und Potenziale langfristiger Strategien im Wohnungsbau dar. Dabei verdeutlichte Prof. Theurl einen starken Wandel der gewünschten Mindeststandards des eigenen Wohnraums durch Mitglieder und Mieter.
Diese Mindeststandards werden zwar erwartungsgemäß durch technologische Möglichkeiten getrieben, weisen jedoch ebenso hohe Ansprüche an bauliche Merkmale und quartiersorientierte Charakteristika aus. Während ein hohes Sicherheitsgefühl für sämtliche Altersgruppen als ein dominierendes Kriterium ausgewiesen wurde, stellen junge Mieter hohe Ansprüche in den Bereichen des Wohnkomforts und der Attraktivität des Wohnquartiers. Technische Ansprüche richten sich zudem hauptsächlich an „smart home“-Anwendungen. Demgegenüber spielt für ältere Mieter die Anpassung an den langsam ansetzenden demographischen Wandel die größte Rolle. Der Wunsch, möglichst lange in der eigenen Wohnung leben zu können, stellt Wohnungsgenossenschaften vor bauliche Herausforderungen in Fragen der Barrierefreiheit sowie der Pflegemöglichkeiten.
Prof. Theurl zeigte auf, wie zentrale Mieteransprüche im Bereich der Mobilität, des Wohnumfeldes, der Wohnungseigenschaften und des Miteinanders bereits in Bauvorhaben integriert werden können. Insbesondere die Vernetzung von Mobilität und Wohnen sowie die Schaffung von Begegnungsräumen und baulichen Voraussetzungen für digitale Dienstleistungen wurden hervorgehoben. „Eine gründliche Analyse der perspektivischen Kundenwünsche, sowie eine konsequente Einbindung der eigenen Stärken in Fragen der Quartiersentwicklung können Wohnungsgenossenschaften dabei helfen, durch Baumaßnahmen auch künftig ihre Wettbewerbsposition zu verteidigen.“, fasste Prof. Theurl die Herausforderungen für die Wohnungsgenossenschaften zusammen und leite unmittelbar zu den folgenden Fachvorträgen aus der Wohnungswirtschaft weiter.
Der Titel des anschließenden Vortrages von Peter Schmid, Präsident der Baugenossenschaft „Mehr als Wohnen“ lautete „Neues Wohnen. Neues Leben – das Hunziker-Areal in Zürich“. Herr Schmid stellte das langfristige Gemeinschaftsprojekt Züricher Wohnungsbaugenossenschaften vor, welches sich über ein 41.000 Quadratmeter großes ehemaliges Industriegelände erstreckt und dem Ideal eines „Genossenschaftsquartiers“ folgt. „Unser Ziel war es, die Innovationskraft der Genossenschaftsbranche herauszustellen und gemeinsam zu stärken. Wir wollen durch Innovationen ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit in unserem Projekt vereinen. Durch ein konsequentes Dialogprinzip während der Planung haben wir viele Genossenschaftsmitglieder in die Vorbereitung einbeziehen können.“, zeigt sich Schmid zufrieden mit der Umsetzung des erstellten Konzeptes. Im Zentrum der quartiersorientierten Planung des Wohnstandortes für 1200 Personen mit ca. 150 Arbeitsplätzen stand eine gemeinschaftsfördernde Architektur, welche nicht nur einen Baukörper optimieren sollte, sondern auch das soziale Zusammenleben im Quartier. Durch die Freihaltung von ca. 800 Quadratmetern als Allmendefläche werde dieses Prinzip auch langfristig im Hunziker Areal erhalten. Die Strukturierung des Quartiers in einzelne Cluster helfe zudem bei einer subsidiären Problemlösung, in welcher die Mieter in der Gemeinschaft an Lösungen und Zukunftsplänen arbeiten.
Heiko Leonhard, Sprecher des Vorstandes der Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft eG, referierte im Anschluss zum Thema „Passiv wohnen, aktiv sparen – Welche Einsparmöglichkeiten bieten Passivhäuser?“. Im Mörsenbroicher Carrée ergab sich für die Wohnungsgenossenschaft die Möglichkeit ein Neubauprojekt in Passivbauweise zu realisieren. Aufgrund der Notwendigkeit am neuen Standort umfassend in Lärmschutz zu investieren und der Option den Status der Klimaschutzsiedlung zu erhalten, habe man sich dazu entschieden, gemeinsam mit externen Passivhaus-Spezialisten die technischen Planungen zu beginnen. „Nach der Inbetriebnahme der Wohnungen, müssen wir bilanzieren, dass sich die Investitionen zwar grundsätzlich gelohnt haben, die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen Bauweisen jedoch nur bedingt gegeben ist.“, fasste Leonhard ein ambivalentes Zwischenfazit. Durch die hohen Wartungs- und Stromkosten einer zentralen Lüftungsanlage sowie die notwendige Zertifizierung einzelner Bauteile verringere sich die wirtschaftliche Attraktivität eines Passivhauses erheblich.
Der folgende Vortrag mit dem Titel „Wohnen und neue Mobilität – Wie ändert sich das Bauen?“ von Frank Christian Hinrichs, Geschäftsführer der inno2grid GmbH in Berlin verknüpfte die Themen des Wohnbaus mit der intermodularen Mobilität. „Die Mobilität, insbesondere in den Ballungszentren, erlebt einen Paradigmenwechsel. Die Dezentralität die durch die Digitalisierung und neue Antriebsmechanismen ermöglicht wird, erfordert eine neue Denkweise. Weg vom Gedanken der Daseinsvorsorge, hin zur Vernetzung von Kompetenzen“, skizzierte Hinrichs die Eckpunkte einer ganzheitlichen Strategie. Als entscheidende Ebene der städtebaulichen Planung identifizierte der Mobilitätsexperte zudem die Stadtquartiere. Die strategische Integration dieser Mobilitätsansprüche in die Bauplanung ist laut Hinrichs eine Möglichkeit für Wohnungsgenossenschaften sich langfristig innovativ am Markt zu positionieren.
In dem anschließenden Vortrag „Verbessert Holzbau die Wohnqualität? – Erfahrungen mit einem neuen Baustoff“, thematisierte Dietmar Vornweg, Mitglied des Vorstandes des Gemeinnützigen Spar- und Bauverein Friemersheim eG in Duisburg, die Vorzüge des Holzbaus. „Wir wollten die Attraktivität ausgewählter Bestandsimmobilien erhöhen und ein optisches Highlight setzen.“, erklärte Vornweg die Motivation zur Nutzung des für die Genossenschaft neuen Baustoffes. Die Eigenschaften des Baustoffes einer positiven Energiebilanz sowie einer hohen ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit eignen sich laut Vornweg insbesondere für innerstädtische Nachverdichtungsgebiete. Derzeit prüfe man daher weitere Verwendungsmöglichkeiten.
Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag von Dipl.-Ing. Frank Nolte, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG, zu dem Thema „Quartiersqualität systematisch steigern – ein Vorteil für jung und alt“. Neben zahlreichen zielgruppengerechten Veranstaltungsangeboten für alle Altersgruppen, bemühe sich die Wohnungsgenossenschaft erfolgreich darum, die Generationen in gemeinsamen Aktivitäten zusammenzubringen. „Wir versuchen beispielsweise unsere Senioren-Wohngemeinschaften mit der Kita in Kontakt zu bringen und schaffen es in Veranstaltungsformaten gemeinsam den öffentliche Raum im Quartier aufzuwerten. Wir haben durch unsere Teilnahme am Audit zum generationengerechten Wohnen im Quartier wichtige Impulse zur Umgestaltung des öffentlichen Raumes aufnehmen können, wodurch die Aufenthaltsqualität gestiegen ist.“, zeigte sich Nolte überzeugt von der strategischen Ausrichtung, die gemeinsam mit den Mietern umgesetzt wird. Es sei gelungen, die Fluktuations- und Leerstandsquoten zu reduzieren und Mehrwerte für alle Mitgliedergenerationen zu schaffen.
Die Veranstaltungsreihe „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ wird im Wintersemester fortgesetzt.