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Dekanat

Wissenschaft und Praxis im Gespräch

„Erträge und Kosten – Neue Wege bestreiten“

Banken in Deutschland befinden sich vor tiefgreifenden Herausforderungen. Neuste Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für das Geschäftsjahr 2017 bescheinigen deutschen Genossenschaftsbanken trotz der Anforderungen aus Regulatorik, intensivem Wettbewerb und Niedrigzinsen einen sehr positiven Status-Quo. Doch wodurch entsteht dieser Erfolg oder lässt sich dieser und die Wettbewerbsfähigkeit von Genossenschaftsbanken sogar noch steigern?

Diese Veranstaltung der erfolgreichen Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ widmete sich dem aktuellen Thema „Erträge und Kosten – Neue Wege beschreiten“. Der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen unter der Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl, sind an die 200 Teilnehmer gefolgt, um neue Wege und Lösungsansätze zu diskutieren, die es ermöglichen, auch in Zukunft die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.

Ralf W. Barkey, Vorsitzender des Vorstandes des Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V., eröffnet die Veranstaltung mit seinem aktuellen Vortrag zum Thema „Erträge, Kosten und genossenschaftliche Identität – Eine Aufgabe für die gesamte FinanzGruppe“. Direkt zu Beginn wies er darauf hin, dass trotz der allgemein positiven Stimmung in der deutschen Wirtschaft die Bankenbranche (gem. Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln) vor schwierigen Zeiten stehe. Auch die Kunden und ihr Verhalten haben sich nachhaltig verändert. Herr Barkey bedauerte den teils durch die Regulierung ausgelösten Konzentrationsprozess im deutschen Bankenmarkt, welcher gerade die kleinen Banken beträfe, von denen der deutsche Mittelstand in seiner Kreditversorgung so viele Vorteile hätte. Herr Barkey unterstrich, dass die Bankenregulierung zwar für die Stabilisierung des Finanzsystems wichtig sei. Allerdings seien Volksbanken und Raiffeisenbanken als regionale Banken nicht systemrelevant. Genossenschaftsbanken nutzen umfangreich Kundeneinlagen für ein wachsendes Niveau an Finanzierungen und sichern auch i. S. des Hausbankprinzips eine Kapitalversorgung der Kunden. Die Beratung steht im Fokus und es gilt jede Investition abzuwägen. Er unterstrich in der Wirkung auf Kunden die Solidität, Sicherheit, Integrität, Modernität und Regionalität der Genossenschaften vor Ort und der zugehörigen Zentralinstitute der FinanzGruppe. Die Kreditgenossenschaften sind in der Lage für die Menschen Brücken zwischen der digitalen Welt und der Heimat zu bauen. Die genossenschaftliche Identität bildet dazu das Alleinstellungsmerkmal.

Matthias Battefeld, Vorstand der Hannoversche Volksbank eG, widmete sich in seinem Beitrag den neuen Wegen und Ertragspotenzialen im Privatkundengeschäft. Es war wichtig, die interne Aufstellung und Ausrichtung des Privatkundengeschäft weiterzuentwickeln und stärker im Markt zu verankern. Aktuelle Herausforderungen erschweren es Erträge zu generieren. Alle Handlungen setzen dabei eine sorgfältige Analyse des Status-Quo voraus. Ein Eckpunkt des Status-Quo stellte z. B. das genossenschaftliche Modell als ein Alleinstellungsmerkmal dar. Es war und ist das verfolgte Ziel des neuen Privatkundengeschäftes, beratend sein zu wollen. Das bisherige Modell und seine Aspekte beschrieb er als stabil, jedoch in die Jahre gekommen. Es wurden z. B. die Preise marktgerecht angepasst, eine neue Kundensegmentierung und die bisherigen Stellen neu strukturiert, wobei sich die Mitarbeiter auf die neuen Stellen zu bewerben hatten. In der Umsetzungsphase stellte Herr Battefeld jedoch durchaus kritisch eine genossenschaftlich-konservative Grundhaltung fest, die es mit viel Kommunikation anzupacken galt. Im Nachhinein zieht Herr Battefeld den Schluss, dass ein großer Anteil von Mitarbeitern die Chance genutzt hat, sich im Rahmen dieser Restrukturierung beruflich weiter zu entwickeln und sich der Vertriebserfolg zügig einstellte. Das formulierte Ziel der qualitativ hochwertigen Beratung sah er durch erfolgte externe Auszeichnungen als Testsieger im Bereich Privatkunden-Beratung als erreicht an.

Bezogen auf die möglichen Synergien von Fusionen unter Genossenschaftsbanken referierte Dr. Veit Luxem, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Mönchengladbach eG. Dabei stellte er die aktuelle Ausgangssituation sowie die Erfolgsfaktoren von Fusionen dar und klärte die Frage, ob Fusionen die gewünschten Synergien erreichen können. Für ihn besteht die Hebung von Synergien nicht nur darin Kosten zu reduzieren, sondern es gehe darum, Potenziale zu nutzen. Auch Herr Dr. Luxem wies auf die derzeit hohen Herausforderungen für Banken hin. Daraus abgeleitet gilt es für ihn die Kosten zu reduzieren, zukunftsweisende Investitionen zu tätigen, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln und die Spezialisierung in der Regulatorik und Digitalisierung im Blick zu haben. Weitergehend müssen Banken Effekte aus dem demographischen Wandel sowie der Verteilung von Vermögen kompensieren. Herr Dr. Luxem sieht in diesem Kontext die Erfolgsfaktoren in der Vision, der Strategie und in der Führung in der Bank. Für Banken bieten Fusionen vielfältige Größenvorteile bei Spezialisierung, neuen Geschäftsfeldern und Innovationen. Für Bankkunden fördern Fusionen die Mitglieder- und Kundenorientierung der Bank (z.B. Fachspezialisten und Mitgliederprogramme). Selbst für die Mitarbeiter der fusionierten Bank steigt die Attraktivität ihres Arbeitgebers (z. B. mehr Karrieremöglichkeiten). Herr Dr. Luxem warnt jedoch davor, kulturelle Fallstricke zu unterschätzen.

Wie seine Vorredner sah Dr. Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank eG, die Bankenwelt vor großen Veränderungen mit Einflüssen auf das Betriebsergebnis einer Bank. Um genau dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zeigt er drei Handlungsalterativen auf: Zum einen ist eine solche ein Filialkonzept und Aktivitäten mit Startups. Zum anderen nannte er Kosteneinsparungen. Als dritte Möglichkeit zeigte er den Weg der Hamburger Volksbank eG auf. Um den zukünftigen Weg seiner Bank zu zeigen, ging er auf das Projekt „Smartes Volksbanking 2020+“ ein. Mit ungefähr 50 Beteiligten aus der Bank wurde die Entwicklungs- und Funktionsfähigkeit verbessert bzw. sichergestellt und die Zukunftsfähigkeit gefestigt. So zeigte Herr Dr. Brüggestrat als ein wichtiges Element des beabsichtigten Wandels das Wachstum im Kreditgeschäft. Er stellt jedoch die beabsichtigte Kultur innerhalb der Bank mit einer klaren Fokussierung auf den Kunden dar. Eben diese Kundenzentrierung konkretisierte Herr Dr. Brüggestrat weiter und verlangt von der Bank die Nutzung einer weiten Bandbreite an Kontaktmöglichkeiten). Abschließend unterstrich Herr Dr. Brüggestrat die Notwendigkeit, die tiefliegenden Aspekte der Unternehmenskultur beim Wandel zu berücksichtigen.

Unter Moderation von Frau Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl widmeten sich vier Diskutanten abschließend der Bedrohung des genossenschaftlichen Geschäftsmodells durch die neuen Ertrags- und Kostenanforderungen. Die positive Ausgangsposition der genossenschaftlichen Bankengruppe als kapitalstärkste, profitabelste und wachstumsstärkste Bankengruppe in Deutschland stellte Stefan Dreyer, Partner der zeb.rolfes.schierenbeck.associates gmbh, dabei zu Beginn heraus. Die Frage sei jedoch, wie man insbesondere auf die gleichgewichtsstörende Herausforderung der Digitalisierung zu reagieren habe und seine Investitionsspielräume geschickt nutze. Ralf W. Barkey unterstrich den positiven Zustand der Genossenschaftsbanken im Angesicht von Kosten- und Ertragsfragen, mahnte jedoch eine erhöhte Entwicklungsgeschwindigkeit und mehr Experimentierfreude an, um diesen Zustand in die Zukunft tragen zu können.

Angesichts der wahrnehmbaren Digitalisierung forderte Norbert Friedrich, Vorstand der Volksbank Trier eG, die Instrumente und Ansätze zu nutzen, die in der Gruppe insgesamt an digitalen Lösungen bereits vorhanden sei und zugleich das Grundgeschäft nicht zu vergessen. Ebenso sei ein behutsamer Vorgang beim keineswegs trivialen Aufbau des Digitalkundensegments angeraten. Den Kunden als Geschäftsfreund und die Genossenschaftsbank als integralen Bestandteil der Gesellschaft betonte Wolfgang Altmüller, Vorstandsvorsitzender der VR meine Raiffeisenbank eG, in seiner positiven Bilanz aus 14 Jahren regionaler Förderung. Dabei gab er mit Blick in die Zukunft jedoch gleichsam zu erkennen, dass die Erwartungen des Kunden in der (digitalen) Zukunft nur schwer vorhersagbar seien.

Einigkeit herrschte unter den Diskutanten hinsichtlich der Bewertung von Fusionsaktivitäten im genossenschaftlichen Finanzsektor: Begrüßenswert, wenn strategie- und marktgetrieben sowie kundendienlich; nicht erstrebenswert hingegen, wenn aufsichtsgetrieben oder aus einer anderweitigen Zwangssituation heraus.

Fragen zur Entwicklung des analogen hin zum digitalen Kunden bildeten den Übergang zu der für alle Beteiligten stets schwierigen Thematik der Filialschließungen. Hierzu resümierte Stephan Dreyer, dass die sinkende Tendenz der Filialpräsenz und die steigende Onlineaktivität zwar zweifelsfrei zu beobachten seien, der menschliche Austausch jedoch wichtig bleibe und die häufig beschworene Annahme der Kundenabwanderung durch Filialschließung keineswegs erwiesen sei. Letztlich gelte es, das Verhältnis zum Kunden vor dem Hintergrund der Digitalisierung neu zu gestalten. Aus Sicht von Ralf W. Barkey heißt dies, den Kunden nicht in analoge oder digitale Gruppen aufzuteilen.

Nicht zuletzt das Beispiel aus dem Plenum durch Andreas Stein, Vorstand der Raiffeisenbank Tüngental eG, mahnte an, die lokalen Strukturen zu würdigen. Fazit des Podiums blieb das gemeinsame Ziel, die vorhandenen Stärken zu nutzen, um sich auf festem Fundament aus Regionalität, Kundennähe und genossenschaftlichem Geschäftsmodell für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.

Nachbericht: Christian Golnik, Benedikt Lenz und Robin Wolf

Die nächste Veranstaltung „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ wird am 21.01.2019 stattfinden.