Fusionen: Größe gewinnen - Identität wahren

Montag, 26. Januar 2004
Aula im Schloss der Universität Münster
Programm: 
Montag, 26. Januar 2004
16:30 Uhr
  Synergiepotenziale bei Bankenfusionen: Identifizieren, operationalisieren, realisieren Prof. Dr. Bernd Rolfes
Universität Duisburg-Essen
Fachgebiet Banken und Betriebliche Finanzwirtschaft
  Vortrag hier zum Download (als PDF-Dokument)  
     
17:15 Uhr
  Regionale Identität als Wettbewerbsvorteil erkennen und umsetzen Verbandsdirektor Dipl.-Betriebswirt Walter Weinkauf
Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbandes Frankfurt
  Vortrag hier zum Download (als PDF-Dokument)  
     
18:30 Uhr
  Podiumsdiskussion -
Perspektiven und Startegien für Genossenschaftsbanken

Diskussionsteilnehmer:

Prof. Dr. Bernd Rolfes
Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Fachgebiet Banken und Betriebliche FinanzwirtschaftVerbandsdirektor

Walter Weinkauf,
Mitglied des Vorstandes des Genossenschaftsverbandes Frankfurt

Josef Köckerling,
Mitglied des Vorstandes der Volksbank Westenholz eG

Rainer Lechtenfeld,
Mitglied des Vorstandes der Volksbank Tecklenburger Land eG

Moderation:
Prof. Dr. Theresia Theurl,
IfG Münster

Veranstaltungsbericht: 

Referenten:
Prof. Dr. Bernd Rolfes, Verbandsdirektor Dipl.-Betriebswirt Walter Weinkauf

Podiumsdiskussionsteilnehmer:
Bernd Rolfes, Walter Weinkauf, Rainer Lechtenfeld, Josef Köckerling, Theresia Theurl

Wissenschaft und Praxis im Gespräch
Fusionen: Größe gewinnen - Identität wahren

Von Alexander Eim, IfG Münster

26. Januar 2004

Am 26. Januar 2004 fand die Veranstaltungsreihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ zum zweiten Mal in Münster statt. Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten zum Themengebiet Fusionen von Finanzinstitutionen im Allgemeinen und im Speziellen über die Vor- und Nachteile von Unternehmenszusammenschlüssen im genossenschaftlichen Finanzverbund. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die kontrovers geführte Podiumsdiskussion.

Bernd Rolfes, Josef Köckerling, Theresia Theurl, Rainer Lechtenfeld, Walter Weinkauf

Bernd Rolfes, Josef Köckerling, Theresia Theurl, Rainer Lechtenfeld, Walter Weinkauf

Aktuelle Diskussionen über Fusionen im Finanzdienstleistungssektor beherrschen die internationale als auch die nationale Wirtschaftspresse. Fast täglich wird über neue Zusammenschlüsse berichtet bzw. diskutiert. Gerade die Situation in Deutschland mit dem bestehenden 3-Säulen-System und deren Zukunft ist zum Spielball der Presse als auch der Politik geworden. Nach Meinung der Referenten ist die Situation der Genossenschaftsbanken aber nicht direkt mit den Privatbanken und den öffentlich rechtlichen Kreditinstituten zu vergleichen, da die Zielsetzung eine andere ist. Die Mitgliederförderung, wie es auch im §1 des GenoG manifestiert ist, muss im Vordergrund stehen, ansonsten hat die genossenschaftliche Idee ihre Existenzberechtigung verloren. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Genossenschaftsbanken fast halbiert und weitere Fusionen zeichnen sich ab. Es gelingt aber nicht allen Zusammenschlüssen, Synergiepotenziale zu erschließen und somit Effizienzvorteile zu gewinnen. Dazu kommt die Befürchtung vieler, vor allem kleinerer Institute, dass die regionale Verwurzelung und die genossenschaftliche Identität verloren gehen könnte.

 

Bernd Rolfes

Bernd Rolfes

Prof. Dr. Bernd Rolfes zeigte die sich ändernden Markbedingungen im Finanzsektor auf, dabei hob er vor allem den Verlust der klassischen Intermediationsfunktion, das Aufstreben neuer Wettbewerber als auch die sinkenden Margen im Kundengeschäft hervor. Er verdeutlichte seine Argumentation mit einer empirischen Studie, welche zeigt, dass die Zinsmargen in Deutschland deutlich unter dem europäischen Durchschnitt, sowohl im Einlagegeschäft als auch im Kreditgeschäft, liegen. Des Weiteren wies er nach, dass sich die Wachstumsraten im bilanziellen Kundengeschäft deutscher Banken in einem langfristigen Abwärtstrend befinden. Ein weiteres Problem deutscher Kreditinstitute ist die seit Jahren stark zurückgehende Geldvermögensbildung bei Banken, welche sich zu Gunsten von Versicherungsunternehmen und der direkten Wertpapieranlage in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Diese grundlegenden Veränderungen wurden von allen deutschen Banken zwar erkannt, aber notwendige Restrukturierungsmaßnahmen wurden zu spät eingeleitet. Das erhoffte Ausgleichspotenzial im Provisionsgeschäft war auch bei den Genossenschaftsbanken in der Vergangenheit nicht realisierbar. So trifft nach Ansicht von Prof. Dr. Bernd Rolfes der Strukturwandel die Genossenschaftsbanken in besonders hohem Maße und Fusionen können dazu beitragen, anstehende Probleme zu lösen. Zwar liegt Deutschland bei der Anzahl der Bankenfusionen eindeutig an der europäischen Spitze, aber nach wie vor weist der Bankenmarkt im europäischen Vergleich den niedrigsten Konzentrationsgrad auf. Welche fusionsbedingten Synergiepotenziale erreicht werden können, hängt von der spezifischen Situation ab. Prinzipiell können aber folgende theoretische Nutzen von Fusionen aufgeführt werden. Economies of Scale, wobei dabei nach Ansicht von Prof. Dr. Bernd Rolfes vor allem die Overhead-Synergien den gewichtigsten Punkt darstellen. Bei einer umfassenden empirischen Untersuchung von ‚zeb/research’ wurde festgestellt, dass die Kosten im Durchschnitt bei einem um 100% höheren Leistungsvolumen nur um ca. 90,9% wachsen. Festzuhalten bleibt ebenfalls, dass die Erträge unter gleichen Voraussetzungen um ca. 95,3% ansteigen. Dieser Zusammenhang zeigt auf, dass Wachstum auch fusionsbedingt zu einem monetären Nutzen führt bzw. führen kann. Ein weiteres Argument für Zusammenschlüsse bilden die Economies of Scope, wobei die Diversifikationseffekte im Kreditgeschäft hervorzuheben sind. Prinzipiell „rechnet“ sich eine Fusion in der Theorie in den meisten Fällen, wobei die Effekte sich in ihrer Wirkungsgeschwindigkeit und Wirkungsschärfe unterscheiden. Prof. Dr. Bernd Rolfes merkte an, dass Potenziale in den meisten Kreditinstituten brach liegen und erst durch Fusionen angegangen werden, obwohl die Problematik bekannt ist. Beispielsweise wird das Ertragspotenzial von den eigenen Hauptkunden in den meisten Banken nicht ausgeschöpft.
Am Anfang einer jeden Fusion sollte immer eine saubere betriebswirtschaftliche Analyse stehen, welche alle relevanten unternehmenspolitischen als auch strategischen Punkte der Fusion betrachtet und ein bis zwei Jahre vor der geplanten Fusion stattfinden sollte. Als Erfolgsfaktor des Fusionsmanagements sind also ein straffes Projektmanagement verbunden mit einer klaren Kommunikationsstrategie zu nennen, wobei der Mensch als Mitarbeiter, Mitglied oder Kunde nicht aus dem Auge verloren werden darf.

Walter Weinkauf

Walter Weinkauf

Als zweiter Redner analysierte der Vorstandsvorsitzende des Genossenschaftsverbandes Frankfurt Walter Weinkauf unter dem Stichwort „Regionale Identität als Wettbewerbsvorteil" die aktuelle Situation der Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland mit besonderem Fokus auf die Region seines Verbandsgebietes. Walter Weinkauf führte die klaren Vorteile aus der Regionalität auf. Die Tendenz zum Bringgeschäft, die längere Kundenbindung und der Vertrauensvorschuss seitens der Kunden wurden besonders hervorgehoben. Betreuen statt nur beraten als auch eine besondere Initiative in der Region, z.B. durch die Gründung von Stiftungen, erhöht die Bindung zu den Mitgliedern als auch zu den Kunden. Durch die schon von Prof. Dr. Bernd Rolfes angeführten Veränderungen in der Bankenlandschaft ergeben sich nach Meinung von Walter Weinkauf spezifische Herausforderungen an regionale Banken. Zum einen muss die dauerhafte Existenzfähigkeit, die regionale Einflussfähigkeit als auch die Abdeckung des Kernfinanzbedarfs in der Region sichergestellt werden. Zum anderen müssen neue Strukturen in den einzelnen Banken eingesetzt und erprobt werden. So sollte jede Genossenschaftsbank nach Möglichkeit einen Vertriebs-, einen Produktions- und einen Steuerungsvorstand besitzen, um diese zentralen Funktionen in der Bankenorganisation effizient zu steuern. Eine andere Möglichkeit der Umstrukturierung bildet ein auch schon testweise erprobtes neues Vertriebssystem für Genossenschaftsbanken, das flexibler und effizienter als die bisherigen Vertriebsstrukturen ist. Bei diesem System findet eine Klassifizierung der Kunden nach dem jeweiligen Kundenbarwert statt und führt zu einer kundenindividuellen Betreuung durch spezifische Finanzberater, welche im Musterprojekt für je 200 Haushalte mit hohem Kundenbarwert zuständig waren. Diese Finanzberater sind für den Kunden immer erreichbar, auch nach Ende der offiziellen Öffnungszeiten. Als Umsetzungsinstrumentarium zur Ermittlung des Barwertes der einzelnen Kunden wurde VR-Control eingesetzt. Festzuhalten bleibt jedoch, dass solche Ideen von der Größe des jeweiligen Institutes abhängen, d.h. die Größe einer Volksbank muss auf die Region abgestimmt werden. Eine Untersuchung im Gebiet des Genossenschaftsverbandes Frankfurt unter 24 Genossenschaftsbanken hat ergeben, dass kleine und große Genossenschaftsbanken ein weitaus höheres Betriebsergebnis aufweisen als Institute mittlerer Größe, so dass als Normstrategie für Banken mittlerer Größe grundsätzlich folgende Alternativen bestehen: Konzentration, Spezialisierung, Teilung oder Fusion.

Podiumsdiskussion: Bernd Rolfes, Josef Köckerling, Theresia Theurl, Rainer Lechtenfeld, Walter Weinkauf

In der von Prof. Dr. Theresia Theurl moderierten Podiumsdiskussion wurden die Vor- und Nachteile von Fusionen kontrovers diskutiert. Prof. Dr. Rolfes vertrat eine wissenschaftlich betriebswirtschaftlich orientierte Sichtweise. Der genossenschaftliche Finanzverbund war durch Verbandsdirektor Walter Weinkauf, Rainer Lechtenfeld, Mitglied des Vorstandes der Volksbank Tecklenburger Land eG und Josef Köckerling, Mitglied des Vorstandes der Volksbank Westenholz eG, vertreten. Es handelt sich bei beiden Instituten um erfolgreiche Volksbanken, wobei die Strukturen unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Volksbank Tecklenburger Land eG gehört zu den 150 größten Volksbanken des Landes mit einer Bilanzsumme von über 800 Mio. Euro. Die Volksbank Westenholz eG gehört mit einer Bilanzsumme von rund 32 Mio. Euro zu den eher kleineren Instituten. Des Weiteren fand bei der Volksbank Westenholz in der gesamten Unternehmensgeschichte keine Fusion statt. Die Volksbank Tecklenburger Land hingegen hat schon 14 Fusionen erfolgreich hinter sich gebracht. Josef Köckerling vertrat die Meinung, dass erfolgreiche kleine Institute wie die Volksbank Westenholz Synergiepotenziale auch ohne Fusionen heben können, sei es durch die optimierte Nutzung des genossenschaftlichen Verbundsystems oder durch eine Vertriebsstraffung. Des Weiteren argumentierte er, dass eine Fusion das Ergebnis seines Institutes nicht verbessern würde. Die Identität zur Region wird bei der Volksbank Westenholz eG durch eine spezifische Mitglieder- und Kundenförderung unterstützt, so gibt es beispielsweise betreute Fahrten für Jugendliche der Gemeinde als auch für Mitglieder und zwei sehr erfolgreiche Aktienclubs, welche die Identität der Bank in der Region stärken. Nach Meinung von Josef Köckerling besteht der genossenschaftliche Gedanke darin, dass die Mitglieder und Kunden in „überschaubaren Einheiten“ betreut als auch persönlich angesprochen werden sollen. Die persönliche Erreichbarkeit des Vorstandes durch jeden einzelnen Kunden sollte ebenso gegeben sein. Josef Köckerling sieht die Genossenschaft als die modernste Rechtsform an, wobei die Genossenschaftsidee von einigen Mitgliedern des Verbundes durch kurzfristiges Gewinnoptimierungsstreben verwässert wird und der ursprüngliche Gedanke der Mitgliederförderung wird seiner Ansicht nach aus dem Auge verloren. Mit diesen Aussagen erntete Josef Köckerling spontanen Beifall von den anwesenden Gästen.
Rainer Lechtenfeld gab zu, dass das Modell der Volksbank Westenholz erfolgreich sei, fügte aber an, dass dies immer von der jeweiligen Situation abhängt. So gäbe es wahrscheinlich einige der 14 Volksbanken im Tecklenburger Land nicht mehr, wenn es nicht zu Fusionen gekommen wäre. Wobei sich die fusionierten Banken als Baumeister der neu entstandenen Volksbank Tecklenburger Land verstehen und dies gemeinsam erfolgreich umsetzen. Betriebswirtschaftliche Analysen und Studien mit einem Vorlauf von mindestens einem Jahr vor den jeweiligen Zusammenschlüssen sind nach seiner Meinung sehr wichtig für den langfristigen Erfolg der Fusion. Jedoch dürfen nicht nur rein betriebswirtschaftliche Argumente im Vordergrund stehen, sondern auch der Faktor „Mensch“ und die interne Kommunikation sind von entscheidender Bedeutung. Bei allen Mitgliedern, Kunden und Mitarbeitern muss Vertrauen geschaffen werden, um die Fusion erfolgreich zu bestehen und auch die regionale Identität nicht zu verlieren. Rainer Lechtenfeld wies ebenfalls darauf hin, dass die Einigkeit innerhalb des Genossenschaftsverbundes weiter ansteigen muss und man darf nicht schon „nach außen schielen“, bevor die internen Probleme nicht gelöst sind.
Walter Weinkauf der in seinem Vortrag auch die regionale Identität als wichtigen Wettbewerbsfaktor ansah, führte aus, dass sowohl die Strategie der Kleinheit als auch die der Fusion erfolgsversprechend sein kann. Walter Weinkauf vergleicht Fusionen mit Menschen und weist darauf hin, dass in der Vergangenheit 80% aller Zusammenschlüsse durch Versagen der Menschen beim Fusionsprozess scheiterten, wobei dies in den letzten Jahren besser geworden ist. Je kleiner die Region, desto leichter fällt allerdings die Wahrung der Identität. Die Kräfte im Genossenschaftlichen Finanzverbund müssen gebündelt werden, wobei aber Fusionen durchaus als Ultima Ratio anzusehen sind. Zuerst muss die betriebswirtschaftliche Situation unabhängig von einer Fusion in einer jeden Bank optimiert werden und das durchschnittliche Betriebsergebnis aller deutschen Genossenschaftsbanken muss sich erhöhen, da ansonsten Probleme entstehen könnten, welche nur schwer lösbar wären. Der Genossenschaftliche Finanzverbund befindet sich aber diesbezüglich auf einem guten Weg.
Prof. Dr. Bernd Rolfes bemerkte, dass es keine allgemeingültige optimale Unternehmensgröße für ein Kreditinstitut gibt, aber prinzipiell bestimmte Größenordnungen in der Zukunft erreicht werden müssen, um langfristig überleben zu können. Seiner Ansicht kann die Mitglieder- und Kundenförderung durch Fusionen gestärkt werden. Des Weiteren hängt es von der jeweiligen Situation und von den individuellen Zielen ab, ob man fusionieren möchte oder nicht. Ein kleines nur auf den Vertrieb ausgerichtetes Institut wie die Volksbank Westenholz kann mit ihrer Strategie sicherlich erfolgreich sein, aber über eine Vertriebsfunktion hinaus ist die Selbstständigkeit nicht haltbar. Aufsichtsrechtliche Beschränkungen bei bestimmten über den Vertrieb hinausgehenden Funktionen sind von kleinen Instituten nicht realisierbar. Ein Teil des Marktes geht bei der reinen Vertriebsausrichtung eindeutig verloren. Auf dieses Statement antwortete Josef Köckerling, dass die aufsichtsrechtliche Überregulierung als auch interne Instrumente des Finanzverbundes wie VR-Control durchaus schwierig für kleine Institute zu bewerkstelligen sind. Diese Herausforderungen aber auch mit Hilfe des Finanzverbundes, z.B. durch Kooperationen lokaler Volksbanken, gelöst werden können.

So bleibt auch über die von Prof. Dr. Theurl moderierte Podiumsdiskussion hinaus festzuhalten, dass der Mensch bei einer jeden Fusion im Mittelpunkt stehen sollte und dass Zusammenschlüsse immer von der jeweiligen Situation abhängen.
 

 

Weitere Bilder der Veranstaltung:

Moritz Krawinkel, Bernd Rolfes, Josef Köckerling, Georg Litmathe,
Theresia Theurl, Rainer Lechtenfeld, Walter Weinkauf, Rainer Backenköhler

 

Plenum

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Im Foyer

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