Alumni Story: Prof. Dr. Ann-Marie Nienaber

Nach dem Studienabschluss stehen den Absolventinnen und Absolventen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vielfältige Karrierewege offen – unter anderem eine Laufbahn in der Wissenschaft. Einen solchen Weg hat Prof. Dr. Ann-Marie Nienaber eingeschlagen.

Ann-Marie Nienaber studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster und ergänzte ihr wirtschaftswissenschaftliches Profil durch weitere Studienabschlüsse in Kunstgeschichte, Kultur, Kommunikation und Management sowie Soziologie - ein Zeichen ihres früh ausgeprägten interdisziplinären Interesses an den Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Im Anschluss an das Studium promovierte sie am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal und Innovation, über Vertrauen und Kommunikation bei der Einführung neuer Technologien – ein Thema, das bis heute den roten Faden ihrer Forschung bildet.

Ihre berufliche Laufbahn nach der Promotion führte sie zunächst in eine Doppelrolle: Neben ihrer Postdoc-Tätigkeit an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster war sie drei Jahre lang als Wissenschaftsbeauftragte der Stadt Münster tätig. In dieser Funktion arbeitete sie an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Stadtverwaltung sowie Technologie- und Wirtschaftsförderung und entwickelte Formate zur Förderung des Austauschs zwischen Forschung, Innovation und kommunaler Praxis. Im Anschluss übernahm sie eine Interimsprofessur an der Universität Witten/Herdecke, wo sie den Reinhard-Mohn-Stiftungslehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsethik und gesellschaftlichen Wandel innehatte. Ein halbes Jahr spaeter zog es sie nach Großbritannien, wo sie eine Position als Associate Professor an der Coventry University übernahm. Seit 2017 ist sie dort Lehrstuhlinhaberin für Human Resource Management and Organisational Behaviour am Institute for Peace and Security (ehemals Centre for Trust, Peace and Social Relations). Dort leitete sie zunächst die Forschungsgruppe „Trust and Workplaces“, die sich mit dem Aufbau und der Wirkung von Vertrauen in Organisationen, besonders in Veränderungsprozessen, befasst. Zudem übernahm sie die Leitung der interdisziplinären Forschungsgruppe „Communities, Politics and Identities“, in der Forschende aus den Bereichen Sozialwissenschaften, Politik, Wirtschaft und Kultur zusammenarbeiten, um gesellschaftliche Transformationsprozesse zu analysieren und aktiv mitzugestalten. Zum Oktober diesen Jahres wird Frau Nienaber an die Technische Universität Braunschweig wechseln, um dort den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsethik, aufzubauen und sich u.a. mit den ethischen Implikationen von Künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft auseinandersetzen.

Ein zentrales Anliegen ihrer Arbeit ist es, Vertrauen als Schlüsselressource in Organisationen und Gesellschaften zu verstehen – insbesondere in Kontexten von Innovation, Nachhaltigkeit, Compliance und Wandel. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten schlagen die Brücke zwischen Theorie und Praxis und finden sowohl in der akademischen Welt als auch in Unternehmen und politischen Institutionen große Beachtung. Ann-Marie Nienaber ist europaweit in mehreren Horizon 2020- und Horizon Europe-Projekten aktiv, u. a. zu Themen wie klimabezogene Verhaltensänderung, gesellschaftliche Resilienz, Nachhaltigkeitsgovernance und soziale Innovation. Ihre Forschung ist stark transdisziplinär und international ausgerichtet – mit dem Ziel, konkrete Lösungen für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln.

Im Interview spricht sie über ihre Leidenschaft für die Wissenschaft, ihren Weg zwischen Praxis und Theorie sowie die Bedeutung von Vertrauen für nachhaltiges Management.

Liebe Frau Nienaber, nach dem Abschluss Ihrer Promotion sind Sie der Wissenschaft treu geblieben. Was hat Sie an diesem Schritt am meisten gereizt?

Tatsächlich war mein Weg in die Wissenschaft nicht von Anfang an vollständig durchgeplant – vieles hat sich einfach Schritt für Schritt ergeben. Aber jedes Mal, wenn sich eine neue Möglichkeit auftat, habe ich gespürt: Das begeistert mich! Ich liebe die Freiheit und Flexibilität, die die wissenschaftliche Arbeit mit sich bringt – sowohl thematisch als auch methodisch. Mich reizt besonders, dass ich Fragen nachgehen kann, die nicht nur theoretisch spannend sind, sondern auch ganz realen gesellschaftlichen Nutzen stiften. Ich möchte mit meiner Forschung nicht nur in Fachzeitschriften präsent sein, sondern auch konkreten Impact schaffen – in Organisationen, in Städten, in der Politik. Dass ich dabei mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und Kontexten – weltweit - zusammenarbeiten kann, ist für mich das größte Privileg dieser Laufbahn.

Welchen Rat würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die eine ähnliche Laufbahn einschlagen möchten?

Seien Sie neugierig, offen und mutig, Ihren eigenen Weg zu gehen - auch wenn er nicht linear verläuft. Eine akademische Laufbahn ist selten ein gerader Pfad, und vieles ergibt sich unterwegs, wenn man Chancen erkennt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wichtig ist auch, dass Sie sich für Ihr Thema wirklich begeistern können. Forschung bedeutet oft auch Durchhaltevermögen, aber wenn Sie für eine Fragestellung brennen, wird es nicht langweilig – im Gegenteil, es kann unglaublich erfüllend sein. Und: Netzwerke pflegen! Wissenschaft ist Teamarbeit. Der Austausch mit anderen - interdisziplinär, international, auch außerhalb der klassischen Wissenschaft - eröffnet neue Perspektiven und oft auch neue Möglichkeiten. Zuletzt: Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn nicht alles sofort klappt. Karrieren entstehen nicht über Nacht - aber mit Leidenschaft, Offenheit und einer klaren Haltung kann man viel bewegen.

Sie haben sich auf die Themen Vertrauen bzw. Vertrauenskommunikation, Innovation, Nachhaltigkeit und Compliance spezialisiert. Welche Rolle spielen diese Werte für junge Menschen, insbesondere mit Blick auf ihre Karrierechancen?

Eine größere, ja zentrale. Junge Menschen stehen heute vor einer Arbeitswelt, die sich rasant verändert - durch Digitalisierung, ökologische Krisen, geopolitische Unsicherheiten und gesellschaftliche Umbrüche. In solchen Kontexten sind Vertrauen, klare Kommunikation und werteorientiertes Handeln keine „Soft Skills“, sondern entscheidende Erfolgsfaktoren. Vertrauen etwa ist die Grundlage jeder guten Zusammenarbeit - gerade in Zeiten von Unsicherheit oder Wandel. Wer Vertrauen aufbauen und erhalten kann, schafft Verbindlichkeit, Stabilität und Innovationsräume. Das gilt im Team, in der Führung, aber auch gegenüber Kund:innen, Bürger:innen oder Partnerorganisationen. Nachhaltigkeit und Compliance sind für viele junge Menschen ohnehin schon selbstverständlich - sie wollen sinnstiftend arbeiten und in Unternehmen oder Organisationen tätig sein, die Verantwortung übernehmen. Das ist nicht nur idealistisch, sondern auch karrierestrategisch klug: Arbeitgeber, die Zukunft haben wollen, suchen genau solche Talente. Innovation schließlich braucht beides: Mut zur Veränderung und Vertrauen in Strukturen, die kreatives Denken zulassen. Wer das verbindet, ist gut aufgestellt - beruflich wie gesellschaftlich. Mein Rat: Sehen Sie diese Werte nicht als „Zusatz“, sondern als Kernkompetenzen für die Zukunft - denn genau das sind sie.

Welche Veränderungen erwarten Sie in der Arbeitswelt, die für heutige Studierende besonders relevant sind?

Die Arbeitswelt der Zukunft wird dynamischer, vernetzter und deutlich werteorientierter sein als früher – und das hat unmittelbare Auswirkungen auf heutige Studierende. Zum einen werden technologische Entwicklungen, vor allem durch Künstliche Intelligenz, Automatisierung und digitale Plattformen, viele Berufsbilder grundlegend verändern. Es wird nicht mehr nur darum gehen, Wissen zu besitzen, sondern vor allem darum, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, kreativ zu denken und verantwortungsvoll zu handeln. Interdisziplinäres Denken, emotionale Intelligenz und kommunikative Fähigkeiten werden deutlich an Bedeutung gewinnen. Zum anderen verändert sich auch das Selbstverständnis von Arbeit. Immer mehr junge Menschen fragen nicht nur: „Was kann ich leisten?“, sondern auch: „Wofür arbeite ich eigentlich?“ Aspekte wie Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Beitrag rücken stärker in den Fokus – und Unternehmen, die darauf keine Antworten bieten, werden es schwer haben, Talente zu binden. Gleichzeitig wird Flexibilität zur neuen Norm: hybride Arbeitsmodelle, projektbasiertes Arbeiten und lebenslanges Lernen gehören künftig selbstverständlich dazu. Die Fähigkeit, sich immer wieder anzupassen - ohne sich selbst zu verlieren - wird zentral. Kurz gesagt: Wer heute studiert, sollte nicht nur auf einen Beruf vorbereitet werden, sondern auf eine sich ständig wandelnde Arbeitswelt, in der Haltung, Werte und Lernfähigkeit genauso wichtig sind wie Fachkenntnisse.

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