Internationales Forscherteam analysiert 200 Millionen Social Media-Posts zu US-Wahlen

Könnte die US-Wahl 2024 ähnlich überraschend ausgehen wie 2016? Nicht unwahrscheinlich, sagen Forscher. 8 Jahre lang hat ein internationales Team, bestehend aus Kai Manke vom Lehrstuhl für Marketing & Medien der Universität Münster, Raoul Kübler von der ESSEC Business School in Paris und Koen Pauwels von der Northeastern University in Boston, untersucht, wie u.a. die Aussagen von Kandidaten, Wahlumfragen, Fernsehwerbung, Medienberichterstattung, Social Media und Fake News zusammenhängen und einander beeinflussen. Ihrer Studie „I like, I share, I vote: Mapping the dynamic system of political marketing“, welche kürzlich im renommierten, internationalen Journal of Business Research erschienen ist, liegt dabei einer der umfassendsten und größten Datensätze aus der politischen Forschung zu Grunde. Allein für die 2016er und 2020er Wahl haben die Forscher über 200 Millionen Social Media-Posts analysiert.
In den US-Wahlkampf werden mittlerweile Milliardensummen investiert und die Parteien greifen auf Marketingkonzepte zurück, wie sie auch bei der Vermarktung von Konsumgütern zum Einsatz kommen. Die nun erschienene Studie zeigt, dass das politische Geschehen aber deutlich dynamischer abläuft als in der Wirtschaft und die Kandidaten ihr Schicksal weitestgehend selbst in der Hand haben. Während Wahlwerbung im Fernsehen nach wie vor Einfluss auf die Wählerinnen und Wähler hat, holen die Social Media-Aktivitäten der Kandidaten auf. Grund hierfür ist, dass Social Media-Beiträge und User-Konversationen sowohl Medienberichterstattung als auch die öffentliche Meinung beeinflussen. Sorge bereitet den Forschern die zunehmende Verbreitung von Fake News, welche nicht nur die Wahlentscheidung beeinflussen, sondern oftmals auch Auslöser von Medienberichterstattung sind. Während einige Journalisten versuchen, falsche Sachverhalte richtigzustellen, nutzen andere das Sensationspotenzial von Fake News aus, um Klickzahlen und Werbeeinnahmen zu generieren. In beiden Fällen verschaffen sie Falsch-informationen unnötige Aufmerksamkeit, was sich später in der Präferenz der Wählerinnen und Wähler in den Wahlumfragen bemerkbar macht. Im 2024er Wahlkampf zeichnet sich ein knappes Rennen um das Weiße Haus ab, und die Umfrageinstitute sehen derzeit für Kamala Harris einen hauchdünnen Vorsprung gegenüber Donald Trump. Die Rahmenbedingungen der Wahl erinnern an 2016, als Hillary Clinton in Führung lag und dann überraschend verlor. So trifft das laufende Kopf-an-Kopf-Rennen auf die Besonder-heiten des US-Wahlsystems und kleinste Verschiebungen im Wahlverhalten können das Ergebnis in den wichtigen Swing States drehen. Aus ihrer Studie leiten die Forscher mehrere Gründe ab, warum der Ausgang der US-Wahl trotz der aktuell offenen Prognosen zu Gunsten von Donald Trump ausgehen könnte.
Die Analyse hat gezeigt, dass sich das Volumen an Fake News in den sozialen Netzwerken allein zwischen 2016 und 2020 vervierfacht hat und sich in den vergangenen Wahlkämpfen zumeist gegen die bzw. den Kandidat:in der demokratischen Partei gerichtet hat. In diesem Jahr haben Falschbehauptungen über Migranten und die Entschädigung der jüngsten Hurrikan-Opfer Hochkonjunktur, was klar Donald Trump in die Karten spielt. Eine wichtige Rolle kommt auch weiterhin den Nachrichtenmedien zu, deren Berichterstattung stark vom Engagement und der Empörung in den sozialen Netzwerken geprägt ist. In den letzten Wochen hat sich der Fokus von Kamala Harris und Tim Walz, die zu Beginn ihrer Kampagne große Aufmerksamkeit erhielten, wieder auf Donald Trump gerichtet. Der republikanische Kandidat ist damit – wie 2016 und 2020 – deutlich überrepräsentiert. Nicht zuletzt verfügt er auch über bedeutend mehr Follower in den sozialen Medien als seine Konkurrentin und konnte dies bereits in der Vergangenheit für sich nutzen.
Die Forschungsstudie „I like, I share, I vote: Mapping the dynamic system of political marketing“ von Raoul Kübler (ESSEC Business School, Paris), Kai Manke (Lehrstuhl für Marketing & Medien, Universität Münster) und Koen Pauwels (Northeastern University, Boston) ist im Journal of Business Research erschienen. Sie steht hier zum kostenlosen Download bereit.
Dr. Kai Manke vom Lehrstuhl für Marketing & Medien der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (Foto: Andreas Löchte)