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Dekanat

Karrierestart mit Holzpaletten aus Rumänien

Foto: WWU - Peter Grewer

Das Angebot klang schräg, sehr schräg. 25 Millionen Dollar waren die rumänischen Geschäftspartner für das "Aufmöbeln" ihrer Kaltwalzstraße bereit zu zahlen. Allerdings unter einer Bedingung: Fünf der 25 Millionen Dollar wollten sie mit einem Kompensationsgeschäft begleichen – mit Naturalien wie beispielsweise Tomaten, vielen Tomaten. Das soll sich unser Novize mal genauer anschauen, urteilte seinerzeit der Vertriebschef der Abteilung Anlagengeschäft im Unternehmensbereich Energietechnik der Siemens AG. Und schickte seinen Vertriebskaufmann Klaus Backhaus, der nach seiner Promotion im Jahr 1972 bei dem Unternehmen eingestiegen war, nach Bukarest.

In der osteuropäischen Hauptstadt angekommen, wusste Klaus Backhaus einige Tage nicht wirklich, wie er mit dem millionenschweren Pflanzenangebot umgehen sollte. Bis er plötzlich einen Zug beobachtete, der Holzpaletten geladen hatte. Jetzt war die Entscheidung klar: Er wollte und musste seinen Kunden überzeugen, dass die Kompensationsware aus Holzpaletten bestehen sollte, die nahezu unbegrenzt lagerungsfähig waren.

Seinem Abteilungsleiter offenbarte er nach seiner Rückkehr eine gute und eine auf den ersten Blick nicht ganz so gute Nachricht. Die gute Neuigkeit: Der Vertrag war unterschrieben. Der Haken an der Sache: Die Rumänen waren auf Klaus Backhaus‘ Wunsch, nicht in Tomaten, sondern in Holzpaletten ausbezahlt zu werden, eingegangen – aber in Höhe von 7,5 und nicht mehr nur über fünf Millionen Dollar.

"Nach dem ersten Deal war ich der Held der Abteilung."

Der Abteilungsleiter konnte kaum an sich halten. "Sind Sie verrückt geworden?", raunzte er seinen jungen Einkäufer an. "Wo sollen wir denn hin mit dem ganzen Zeug?" Sein Fazit nach einer kurzen Abkühlungsphase: "Jetzt sehen Sie mal zu, wie Sie da wieder rauskommen." Das war eine sportliche Herausforderung. "Vier Monate später hatte ich die Holzpaletten für einen achtstelligen Dollarbetrag verkauft", erinnert sich der heute 69-jährige Betriebswirtschafts-Professor an seinen ersten Deal. "Von da an war ich der Held der Abteilung."

Nicht nur das. Klaus Backhaus entwickelte auch wissenschaftliches Interesse an diesem Geschäftstyp, der an Universitäten – zumindest in der Betriebswirtschaftslehre – praktisch nicht existierte. Dem mehrjährigen Engagement bei Siemens im fränkischen Erlangen folgten 1979 die Habilitation und ein Ruf an die Freie Universität nach Berlin. Der wissenschaftliche Weg war damit vorgezeichnet. Von der FU in Berlin wechselte Klaus Backhaus an den Rhein nach Mainz. Nach mehreren abgelehnten Rufen und zwei Angeboten aus dem Ausland mündet die Karriere in diesem Jahr in einem Jubiläum: Seit genau 30 Jahren steht der gebürtige Mülheimer an der Spitze eines unter Studenten beliebten und international einzigartigen Instituts – dem "Institut für Anlagen und Systemtechnologien" der Universität Münster. "Früher wie heute sage ich den Studieninteressierten: Wenn Sie sich für gelebtes Marketing und für oft faszinierende Industrie- statt für die üblichen Konsumgüter interessieren, dann sind Sie in diesem Institut an der richtigen Adresse", betont Klaus Backhaus. "Und die meisten Studenten werden nicht enttäuscht."

Ein Spielzeug-Traktor thront auf seinem Schreibtisch, auf einem Sideboard stehen eine Lokomotive und ein großer Waggon. Man erfährt es nicht nur von ihm, man sieht auch sofort, wo Klaus Backhaus‘ berufliche Interessen liegen. "Das Besondere am Industrie-Marketing ist, dass man erstens professionelle Gesprächspartner hat, und dass man zweitens Dinge verkauft, die es häufig in der gewünschten Form noch gar nicht gibt", unterstreicht der Hochschullehrer, der seine Aufgaben in Forschung und Lehre seit drei Jahren als Senior-Professor wahrnimmt. Klaus Backhaus hat zahlreiche Bücher zu diesem Thema verfasst, die längst als Standardwerke gelten.

Der einstige Top-Ruderer Klaus Backhaus ist allerdings weit davon entfernt, den Marketing-Nerd zu geben, der sich für nichts anderes interessiert. Im Gegenteil. Seit 1999 ist er Mitglied im Technologie- und Innovationsbeirat beim Regierenden Bürgermeister des Landes Berlin, von 1986 bis 2002 fungierte er als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft, er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, Klaus Backhaus engagiert sich für den Aufbau der deutsch-türkischen Universität in Istanbul, und er ist Mitglied des Hochschulrats der Universität Münster. Hinzu kommen mehrere Engagements in der Selbstverwaltung der Universität, beispielsweise als Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät oder als Mitglied in verschiedenen Berufungskommissionen. Und wenn er mal nicht für die Hochschule aktiv ist? Dann unterstützt er so oft wie möglich seinen BVB, die Bundesliga-Kicker von Borussia Dortmund also, besucht Konzerte und schaut sich Ausstellungen an – oder besucht mit seiner Frau seinen Sohn in Köln, der am Marketing-Institut der dortigen Universität als Assistent arbeitet. "Sagen wir es mal so", meint der umtriebige Wissenschaftler, "ich habe noch immer gut zu tun."

Dabei hilft es ihm als Motivationsschub natürlich, dass er den Kurs der Universität Münster sehr zu schätzen weiß. Als er neulich las, dass die Herausgeber des weltweit führenden Fachmagazins "Nature" die WWU zu den "aufstrebenden Sternen" zählen, schoss ihm spontan durch den Kopf: "Das trifft es genau." Die Universität Münster habe in den vergangenen Jahren „enorm an Fahrt aufgenommen“ und habe den Wettbewerb der Hochschulen untereinander angenommen. "Das tut uns allen gut."

"Ich liebe Vorlesungen, und gerne dirigiere ich auch 800 Leute."

Für die kommenden drei Jahre hat er noch universitäre Pläne, unter anderem will er zehn Nachwuchs-Wissenschaftler promovieren. Überhaupt liegt ihm nach wie vor der Kontakt zu den Studierenden, die ihn 2008 über die Zeitschrift "Unicum" zum wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer des Jahres wählten, am Herzen. "Ich liebe Vorlesungen, und gerne dirigiere ich auch 800 Leute." Aber nach seinen klaren Regeln. Als sich vor einigen Jahren ein verspäteter Student weigerte, den Hörsaal wieder zu verlassen, wie es Klaus Backhaus all seinen Zuhörern zu Semesterbeginn als Grundsatz aufgegeben hatte, brach er kurzerhand die Vorlesung ab. Erst nachdem der betroffene Student sich bei einer Tasse Kaffee bei ihm entschuldigt hatte, griff er den alten Stoff wieder auf. Klaus Backhaus: "Danach war für immer Ruhe im Saal."

Norbert Robers (Quelle: Universitätszeitung wissen|leben, Ausgabe Dezember 2016)