Zusammenfassung von „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ am 30.05.2016

Zahlreiche Entwicklungen wirken derzeit auf die Bankbranche und das Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken ein. Da sich diese Entwicklungen in naher Zukunft nicht umkehren, sondern vermutlich sogar noch verstärken werden, ist es von hoher Bedeutung, diese nicht nur als Bedrohung, sondern vielmehr auch als eine Chance wahrzunehmen. Die 25. Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ widmete sich daher dem Thema „Regulierung, Digitalisierung und Niedrigzinsen: Neue Wege denken“. Der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Theresia Theurl waren knapp 250 Teilnehmer gefolgt, um mögliche Ansatzpunkte zu diskutieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Dr. Aurel Schubert, Generaldirektor Statistik der Europäischen Zentralbank (EZB), erläuterte im ersten Vortrag die Hintergründe des von vielen Banken kritisierten Analytischen Kreditansatzes, AnaCredit. Im Rahmen von AnaCredit werden Kreditinstitute verpflichtet, ab 2018 sämtliche Bankkredite an juristische Personen über 25.000 Euro für Zwecke der Geldpolitik und der Finanzmarktstabilität zu melden. Ermöglicht wird hiermit die Identifikation und Überwachung von Risiken in einzelnen Wirtschaftssektoren, die Untersuchung der Verschuldung von Unternehmen strukturiert nach Größe und Branche, die Verbesserung von Frühwarnsystemen für Kreditrisikokonzentrationen und von Makrostresstests für Bankkreditportfolios sowie die Identifikation von grenzüberschreitenden Kreditrisiken und Ansteckungseffekten. Als spezifische Vorteile von AnaCredit für die deutschen Banken stellte Herr Dr. Schubert heraus, dass die erhobenen Daten in das deutsche Ratingsystem ICAS der Bundesbank einfließen und somit zu einer besseren Bewertung von Krediten führen, die als Sicherheiten gegen Liquiditätsengpässe von der nationalen Zentralbank eingesetzt werden. Des Weiteren können die AnaCredit-Daten zur Verbesserung bestehender Rückmeldeverfahren von zentralen Kreditregistern genutzt werden.
Das Ziel des zweiten Vortrags von Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender der Union Investment Gruppe, war es, vor dem Hintergrund der Niedrigzinsen neue Wege für die Kunden aufzuzeigen. Laut Herrn Reinke ist davon auszugehen, dass die Zinsen niedrig bleiben und auch Aktienrenditen sinken werden. In den nächsten sechs Jahren sei mit weniger Gleichlauf, weniger Performern und weniger Performance zu rechnen. Allein Immobilien würden sich beständiger als der Rest zeigen und könnten durchaus als „Fels in der Brandung“ bezeichnet werden. Aufgrund dieses veränderten Umfeldes ist es heutzutage nicht mehr möglich, Erspartes zu verdoppeln. Optimierungspotenzial ist laut Herrn Reinke jedoch reichlich vorhanden. So müssten insbesondere aus Sparern Anleger werden. Einem Niedrigzinsumfeld entkomme man nur durch Vermögensstrukturierung, aktives Management und eine intelligente Risikosteuerung. Eine zentrale Lösung wird daher in einem MultiAsset-Ansatz gesehen, der Diversifizierung über alle Assetklassen hinweg.
Um weitere mögliche Ansatzpunkte für Genossenschaftsbanken aufzuzeigen, folgte im Anschluss an die Vorträge eine von Frau Prof. Dr. Theresia Theurl moderierte Podiumsdiskussion unter dem Titel „Bewährtes erhalten und neue Wege gehen – Die zukünftige Entwicklung der genossenschaftlichen FinanzGruppe“. Mit Michael Deitert, Vorstand der Volksbank Bielefeld-Gütersloh eG, Dr. Jürgen Gros, Vorstand des Genossenschaftsverbandes Bayern e.V., Thomas Jakoby, Vorstand der Vereinigte Volksbank Münster eG, sowie Thomas Ruff, Vorstand der Volksbank eG Bad Laer-Borgloh-Hilter-Melle, konnten hochkarätige Vertreter aus genossenschaftlichen Primärbanken und Verbänden gewonnen werden, die intensiv über die Ausrichtung des Geschäftsmodells der Genossenschaftsbanken diskutierten.
Unter den Teilnehmer herrschte Einigkeit darüber, dass die genossenschaftliche FinanzGruppe große Herausforderungen bislang immer überwunden und in der Vergangenheit bereits viel auf den Weg gebracht hat. Um auch in Zukunft erfolgreich am Markt agieren zu können gelte es das Wachstum der Genossenschaftsbanken weiter voranzutreiben und die hierfür notwendigen Strukturen aufzubauen. Weiterhin sei es zentral, die geschäftliche Durchdringung und die Nutzenstiftung beim Kunden zu erhöhen. Das Prinzip „know your customer“ sollte zukünftig noch stärker verfolgt werden. Darüber hinaus könne auch die subsidiäre Unterstützung innerhalb des Verbunds noch weiter verbessert werden, insbesondere in Bezug auf die IT-Prozesse sowie auf das Auslandsgeschäft von Firmenkunden.
Die nächste Veranstaltung der Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ findet am 23. Januar 2017 in Münster statt.