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"Ignoranz-Illusion" bei Entscheidungen unter Risiko

Forschungsbeitrag von Dr. Maren Baars and Dr. Michael Goedde-Menke im Journal of Risk and Insurance erschienen

Zur Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Zukunft treffen Individuen (z.B. Unternehmer, Manager, Privatpersonen) Entscheidungen, die mit Risiko behaftet sind. Sie stehen vor der Herausforderung, die Wahrscheinlichkeiten möglicher Umweltzustände und die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen zu ermitteln und im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Vor allem in Bezug auf Wahrscheinlichkeiten verhalten sich Individuen jedoch oftmals nicht im Einklang mit der ökonomischen Theorie: Anstelle einer rationalen Verarbeitung werden die Wahrscheinlichkeiten für seltene Ereignisse systematisch überschätzt, wohingegen die Wahrscheinlichkeiten für häufig auftretende Ereignisse systematisch unterschätzt werden.

Diese Form der Wahrscheinlichkeitsgewichtung hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere im Rahmen von Finanzentscheidungen, bei denen extreme Umweltzustände und dadurch eine Kombination sehr geringer und auch hoher Wahrscheinlichkeiten von zentraler Bedeutung sind. Zum Beispiel kann bei Versicherungsentscheidungen die individuelle Wahrscheinlichkeitsgewichtung dazu führen, dass die tatsächliche Zahlungsbereitschaft die theoretisch vorhergesagte übersteigt, da die Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Versicherung aufgrund des in der Realität sehr seltenen Schadenfalls überschätzt wird. Gleichzeitig wird die Wahrscheinlichkeit eines lediglich kostenverursachenden Versicherungsabschlusses bei Schadenfreiheit unterschätzt. Um menschliches Entscheidungsverhalten besser erklären zu können, modellieren deskriptive Entscheidungstheorien eine derartige Wahrscheinlichkeitsgewichtung daher explizit. Allerdings wird hierbei unterstellt, dass das Ausmaß der Gewichtung bei objektiv ermittelbaren Wahrscheinlichkeiten unabhängig vom Entscheidungskontext und der Wahrnehmung der Situation durch das Individuum ist.

Um diese Annahme empirisch zu überprüfen, führten Maren Baars und Michael Goedde-Menke vom Lehrstuhl für Finanzierung der WWU Münster zwei Laborexperimente mit 398 Teilnehmer:innen durch. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, ob die Expertise, die sich ein Individuum bezüglich einer Entscheidung unter Risiko zuschreibt, das Ausmaß der Wahrscheinlichkeitsgewichtung beeinflusst. Ein derartiger Einfluss ist irrational, da die selbst wahrgenommene Expertise bei Entscheidungen mit gegebenen Wahrscheinlichkeiten und finanziellen Konsequenzen keine Auswirkung auf das Entscheidungsergebnis haben sollte. Trotzdem wird genau dieser Zusammenhang in der Studie belegt: Individuen zeigen eine ausgeprägtere Form der Wahrscheinlichkeitsgewichtung in Situationen, in denen sie sich schlechter auszukennen glauben - obwohl sie in Besitz aller entscheidungsrelevanten Informationen sind. Diesen fehlgeleiteten Einfluss selbst wahrgenommener Expertise auf die Verarbeitung objektiver Wahrscheinlichkeiten bezeichnen die Forscher:innen als „Ignoranz-Illusion“. Als Ursache dieser Illusion identifizieren sie die Tatsache, dass Individuen ihre selbst wahrgenommenen Expertise fälschlicherweise als bedeutsam für den Entscheidungsprozess erachten.

Der Forschungsbeitrag ist unter dem Titel „Ignorance illusion in decisions under risk: The impact of perceived expertise on probability weighting“ in der Fachzeitschrift Journal of Risk and Insurance erschienen.

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Lehrstuhl für Finanzierung

Finance Center Münster