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„Wir müssen das Vertrauen in KI fördern“

Wirtschaftsinformatikerin Heike Trautmann über Potenziale, Ängste und ihre Lieblings-KI-Beispiele

Die öffentliche Meinung zu Künstlicher Intelligenz (KI) ist gespalten. Während die einen vor Hackerangriffen und Datenmissbrauch warnen, blicken die anderen hoffnungsvoll auf vielfältige Anwendungsbereiche. Fakt ist: Maschinelles Lernen, Sprachverarbeitung und Robotik sind längst Teil unseres Alltags. Warum Künstliche Intelligenz gleichzeitig Euphorie und Angst auslöst, wie wichtig KI heute ist und in Zukunft möglicherweise sein wird, und ob KI nicht bereits seit vielen Jahren exisitiert - darüber sprach Norbert Robers, Leiter der Pressestelle der WWU Münster, mit Prof. Dr. Heike Trautmann vom Institut für Wirtschaftsinformatik.

Für viele Bürger dürfte KI als hochmodernes Thema gelten. Aber ist KI nicht bereits ein „alter Hut“, wenn man sich etwa an die sogenannte Turing-Maschine oder die Schachcomputer in den 70er Jahren erinnert?

Es ist richtig, dass die heutige KI sich beispielsweise auf diese Ansätze gründet, der Begriff entstand Mitte der 50er Jahre. Allerdings hat sich die Forschung auf dem Gebiet in den letzten Jahrzehnten extrem weiterentwickelt, sowohl in der grundlagen- als auch der anwendungsorientierten Forschung. Wir sprechen derzeit von der sogenannten ,dritten Welle der KI‘, die beispielsweise selbstlernende Systeme, Erklärbarkeit, Kommunikationsfähigkeit und Ansätze von automatisiertem Schlussfolgern fokussiert.

Parallel zu KI kursieren Begriffe wie ,machine learning’ oder ,intelligente Systeme’ – was genau zeichnet KI aus und unterscheidet sie somit von den anderen Phänomenen?

Das Verständnis von KI ist von großer Unklarheit geprägt. Die Vorstellungen rangieren von reinen Automatisierungsansätzen, Routineprozessen über eine Gleichsetzung von KI mit maschinellem Lernen oder gar lediglich tiefen neuronalen Netzen (Deep Learning) bis hin zur Vision einer übermächtigen, die menschliche Intelligenz übertreffenden Technologie. Die europäische KI-Initiative CLAIRE fokussiert aus diesem Grund die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von KI, um über Forschungsnetzwerke hinweg die menschzentrierte KI in Europa voranzubringen. Für mich ist KI ein Zusammenspiel mehrerer Teilgebiete, so wie auch die menschliche Intelligenz sich auf die Interaktion verschiedener Prozesse und Kompetenzen gründet. Neben dem maschinellen Lernen sind ebenso die Optimierung von oft widersprüchlichen Zielen, das logische Schließen sowie Sprachverarbeitung und Robotik zentrale Bausteine von KI.

Die einen verbinden KI mit vielen Hoffnungen in Richtung Effizienz und Digitalisierung, die anderen fürchten dagegen eine Zerschlagung des Arbeitsmarktes. Woran liegt es, dass KI derartig polarisiert?

Das liegt vor allem an dem zu diesem Thema kursierenden Halbwissen. Die begriffliche Unsicherheit und häufig polarisierende mediale Berichterstattung nährt zum Teil die Furcht vor einer vermeintlichen Über-Intelligenz, die die Weltherrschaft zu übernehmen droht. Wichtig sind deswegen der Transfer wissenschaftlicher Forschung in die Gesellschaft, Information, Aufklärung und maximale Transparenz. An der WWU forschen wir beispielsweise zu Verfahren, die Entscheidungen von KI-Systemen nachvollziehbar machen und damit das Vertrauen in KI stärken sollen…

… was aber schnell wieder zerstört werden kann, wenn es beispielsweise zu Unfällen mit autonom fahrenden Autos kommt.

Das stimmt. Aus diesem Grunde ist es wichtig, hochqualitative Forschung zu fördern, um diese Schwachstellen zu vermeiden und das Vertrauen in Künstliche Intelligenz zu vergrößern.

Die einen sprechen im Zusammenhang mit KI von einem Fluch, die anderen von einem Segen. Aber ist das nicht ein eher kontraproduktives Schwarz-Weiß-Denken?

Wenn es weltweit gelingt, an ethischen Grundsätzen orientierte KI-Technologien zu entwickeln, die menschliche Intelligenz zielgerichtet ergänzen, wird KI die Gesellschaft, Wirtschaft und vor allem die Klimaforschung weit voranbringen – und insofern ein Segen sein.

Natürlich ist auch KI nicht per se gefährlich: Aber ist es nicht so, dass der Mensch immer versuchen wird, das Maximum auch aus dieser Technik herauszuholen – und damit der drohenden „Übermacht der Maschinen“ den Weg ebnen wird?

Jedes Werkzeug lässt sich ge- und missbrauchen. Wichtig sind Initiativen, die ein weltweit akzeptiertes Verständnis von ethischen Richtlinien fördern, die es zu akzeptieren und umzusetzen gilt. Beispielsweise ist die Entwicklung autonomer Waffensysteme hochproblematisch – deswegen ist die zielgerichtete Regulierung von KI-Technologien sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung unter Beachtung von Ethik-, Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards wichtig.

In welchen gesellschaftlichen Bereichen wird KI (mutmaßlich) den größten Nutzen entfalten?

Die rasante Entwicklung eines Impfstoffs zur Bekämpfung der Covid-Pandemie wäre ohne den Einsatz von KI-Verfahren nicht möglich gewesen. Das Lernen aus riesigen Datenmengen in der Medizin für die Diagnoseerstellung, Medikamentenentwicklung und Prävention von Krankheiten hat ein riesiges Potenzial. Ein weiterer zentraler Bereich ist die Klimaforschung, ohne deren Erkenntnisse wir vor einer schier unlösbaren Aufgabe zur Rettung unseres Planeten stünden.

Und was wird Künstliche Intelligenz im Gegensatz zur menschlichen Intelligenz niemals können?

Künstliche Intelligenz wird menschliche Fähigkeiten wie beispielsweise Empathie, Intuition und die Entscheidungsfähigkeit auf Basis von Lebenserfahrung und größeren Sachzusammenhängen nicht abbilden können. Die Frage ist auch, ob man das möchte. Zudem fällt es zum Beispiel in der automatisierten Sprachverarbeitung und -erzeugung derzeit schwer, Ironie und Sarkasmus entsprechend abzubilden.

Der Beitrag ist in der Universitätszeitung wissen|leben erschienen.