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Zu den Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen auf die Beschäftigung

FB4-Professor Christoph Schneider erhält Best Paper Award der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft
Foto: pexels.com

Wie restrukturieren Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit nach Fusionen und Übernahmen (M&As)? Eine umfangreiche Literatur dokumentiert durch die Analyse von Aktienrenditen und anderen Finanzdaten, dass M&As Wert steigern. Wir wissen jedoch relativ wenig darüber, wie diese Synergien geschaffen werden. In einer aktuellen Studie argumentiert ein Team aus Wissenschaftler:innen unter Beteiligung von FB4-Professor Christoph Schneider, dass aus der Analyse von Mitarbeiterströmen und Veränderungen in der Zusammensetzung und Größe der Belegschaft des fusionierten Unternehmens viel darüber gelernt werden kann, wie Synergien zustande kommen.

Die Wissenschaftler:innen untersuchen eine große Stichprobe von M&As in Deutschland zwischen 1997 und 2014 und verfolgen die Arbeitskräfteströme nach der Akquisition. Dabei werden die Arbeitnehmerströme mit denen von Kontrollunternehmen mit ähnlichen Merkmalen verglichen, die nicht von M&A-Aktivitäten betroffen sind.

Der Restrukturierungumfang ist sehr groß

Im Durchschnitt verlieren übernommene Unternehmen bis zum Ende des zweiten Kalenderjahres nach der Übernahme 55 Prozent ihrer Belegschaft, und die Gesamtbelegschaft des fusionierten Unternehmens sinkt um 7 Prozent. Dieser Beschäftigungsrückgang konzentriert sich auf Unternehmen die nach der Übernahme vollständig geschlossenen werden, während die Beschäftigung in den überlebenden Unternehmen stagniert. Mehr als 40 Prozent der Arbeitnehmer:innen, die das fusionierte Unternehmen verlassen, werden entweder arbeitslos oder nehmen schlechter bezahlte Jobs an. Größere Käuferunternehmen wachsen mehr, nachdem sie ein Unternehmen einer gegebenen Größe erworben haben, was überraschend ist, da größere Unternehmen normalerweise weniger stark wachsen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass größere Käufer über mehr Managementkapazitäten verfügen, aber nicht über die Wachstumsoptionen verfügen, um diese zu nutzen. Diese Wachstumsoptionen erwerben sie extern im Rahmen von M&As.

Die Forscher:innen kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterfluktuation nach M&A-Transaktionen deutlich zunimmt, insbesondere bei Beschäftigten aus dem mittleren Management und hochqualifizierten Arbeitnehmer:innen. Die Nettobeschäftigungsveränderungen allein zeigen also nicht das volle Ausmaß der Restrukturierung. Die Umstrukturierung verlagert außerdem Arbeitsplätze vom Zielunternehmen zum Erwerber, da bei den Erwerbern vermehrt Einstellungen vorgenommen werden, während sich der Stellenabbau auf das Zielunternehmen konzentriert.

Die Studie zeigt, dass Unternehmen ausscheidende Arbeitnehmer:innen durch ähnlich qualifizierte aber etwas besser ausgebildete Neueinstellungen ersetzen, die jedoch im Durchschnitt deutlich jünger (etwa vier Jahre) und weniger teuer sind als die ausscheidenden Arbeitnehmer:innen (ca. 11 Prozent geringeres Gehalt). Käuferunternehmen sparen also Kosten dadurch, dass sie erfahrene durch weniger erfahrene Arbeitskräfte ersetzen, die neuen Arbeitskräfte sind jedoch nicht schlechter ausgebildet oder qualifiziert.

Unternehmen wägen letztlich die Kosten einer erfahreneren Belegschaft gegen die Kosten einer stärker hierarchischen Organisationsstruktur mit stärker spezialisierten Manager:innen ab. Diese lösen dann die Produktionsprobleme, die in den unteren Ebenen der Organisation nicht gelöst werden können. Nach Übernahmen verlagern Unternehmen mehr Problemlösungskompetenz auf die höheren Ebenen der Organisation und sparen die Kosten bei den Mitarbeiter:innen in den mittleren und unteren Ebenen ein.

Fusionen schaffen interne Arbeitsmärkte

Die Beschäftigungsströme zwischen den Niederlassungen des fusionierten Unternehmens erhöhen sich um 4 Prozent relativ zur Gesamtbeschäftigung des fusionierten Unternehmens. Dies sind meist Flüsse vom übernommenen zum kaufenden Unternehmen, mit einem viel kleineren Fluss in die entgegengesetzte Richtung. Während die Aktivität auf dem neu geschaffenen internen Arbeitsmarkt des fusionierten Unternehmens zwar beträchtlich ist, macht sie jedoch nur etwa ein Viertel der abnormalen Beschäftigungsströme aus. Die anderen drei Viertel der Umstrukturierung nach Akquisitionen erfolgen durch externe Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeiter:innen auf den externen Arbeitsmarkt, entweder in andere Unternehmen oder in die Arbeitslosigkeit. Der Haupttreiber für eine stärkere Nutzung der internen Arbeitsmärkte ist der Grad der Hierarchisierung des Erwerbers: Der Betrieb eines internen Arbeitsmarktes scheint höhere Managementkapazitäten zu erfordern.

Zielunternehmen bieten Wachstumsoptionen – Käufer steuern Managementkompetenz bei

Die Studie betont die Komplementarität zweier immaterieller Vermögenswerte, um Synergien mit Fusionen und Übernahmen zu schaffen: (1) Wachstumsoptionen und (2) organisatorische Fähigkeiten und Managementkompetenz. Fusionen und Übernahmen ermöglichen es Unternehmen Arbeitskosten auf dreierlei Weise einzusparen: Erstens durch Rationalisierung der Produktion und Verringerung der Zahl der Arbeitskräfte; zweitens durch Umstrukturierungen, wobei Arbeitsplätze von den Betrieben des übernommen Unternehmens zu denen des Käufers verlagert werden und ältere, erfahrenere Arbeitnehmer:innen durch jüngere, kostengünstigere aber besser ausgebildete Arbeitnehmer:innen ersetzt werden; drittens durch verstärkte Jobrotationen auf dem internen Arbeitsmarkt. Der Aufbau von hierarchischen Organisationsstrukturen und Führungskapazitäten erscheinen für diesen Prozess entscheidend.

Prof. Dr. Christoph Schneider wurde gemeinsam mit Prof. Dr. Britta Gehrke (Universität Rostock), Prof. Dr. Ernst Maug (Universität Mannheim) und Dr. Stefan Obernberger (Erasmus University Rotterdam) für den Konferenzbeitrag mit dem Titel „Post-Merger Restructuring of the Labor Force“ auf der 27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft mit dem Best Paper Award ausgezeichnet. Hier geht es zum Volltext.