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Dekanat

Wenn Tierfutter zur Mangelware wird

Prof. Manfred Krafft über die Gewinner der Pandemie

Großteile der Wirtschaft mussten aufgrund der Coronapandemie erhebliche und teilweise existenzgefährdende Umsatzeinbußen hinnehmen. Besonders stark wurden Branchen wie die Beherbergung und Gastronomie, Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter, die Reisebranche und nicht zuletzt der Einzelhandel von der Coronakrise getroffen. Im Gegensatz zu den zahlreichen Verlierern der Coronapandemie gibt es einige wenige Branchen und Unternehmen, die als klare Gewinner aus der Krise hervorgegangen sind. Ausschlaggebend dafür sind die pandemiebedingten Einschränkungen, die zu deutlichen Nachfrageverschiebungen und großen Veränderungen im Konsumverhalten geführt haben.

Zu den erwarteten Gewinnern der Corona-Krise gehören sicherlich die Anbieter von Videokonferenz- und Collaboration-Tools. Teambesprechungen und Face-to-Face-Diskussionen im beruflichen Kontext, aber auch der Austausch unter Freunden oder Feiern im erweiterten Familienkreis haben sich in den virtuellen Raum verlagert. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass das US-amerikanische Softwareunternehmen Zoom Video Communications seinen Umsatz von 2020 bis 2021 verdreifachen konnte und aktuell mehr als 3,3 Billionen jährliche Meeting-Minuten vermeldet. Ein ebenfalls wenig überraschender Gewinner der Krise ist der Onlinehandel, der im Jahr 2020 ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr von 23 Prozent verzeichnete. Neben den üblichen Verdächtigen wie Bekleidung oder Elektronikartikeln wurden interessanterweise auch eher untypische Produktkategorien wie Drogerieartikel oder Lebensmittel vermehrt online gekauft. Darüber hinaus hat die Pandemie erwartungsgemäß einen Boom im medizinischen Bereich ausgelöst. So verzeichnete beispielsweise das Lübecker Unternehmen Dräger, das unter anderem Krankenhäuser mit Beatmungsgeräten ausstattet, in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 einen Anstieg des Auftragseingangs um mehr als 50 Prozent.

Neben diesen mehr oder weniger „logischen“ Profiteuren der Corona-Pandemie hat ein bestimmter Trend im Verbraucherverhalten dazu geführt, dass Produktsegmente von der Krise profitiert haben, von denen man dies nicht unbedingt erwartet hätte: „Cocooning“ (engl. verpuppen), das als vollständiger Rückzug in die Privatsphäre verstanden wird, geht damit einher, dass das Leben in den eigenen vier Wänden als zentrale Form des Daseins angesehen wird. Unterschiedliche Branchen und Produktsegmente haben aufgrund dieser Änderung im Verhalten einen erwähnenswerten Aufschwung erfahren. Die zunehmende Verweildauer in den eigenen vier Wänden lässt unter anderem die Möbelbranche und das Handwerk deutlich profitieren. Ob ein spontaner Tapetenwechsel in Form der Neugestaltung eines bestimmten Raumes oder die langfristige angedachte Installation einer Solaranlage auf dem Dach - die Pandemie veranlasst die Menschen, sich mehr Zeit für die Gestaltung ihres Zuhauses zu nehmen.

Aufgrund des Cocooning-Trends und der drastisch eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten im öffentlichen Raum lässt sich zudem eine gewisse Entwicklung in Hinblick auf Unterhaltungsaktivitäten erkennen. Online-Sprachkurse sind derzeit gefragter denn je, was sich auch daran zeigt, dass die Sprachlern-App Duolingo einen Anstieg der weltweiten Nutzerzahlen um mehr als 40 Prozent verzeichnen konnte. Des Weiteren werden Konzert-, Kino- oder Museumsbesuche durch Aktivitäten an der frischen Luft ersetzt. So wurden beispielsweise im Jahr 2020 fast 17 Prozent mehr Fahrräder und E-Bikes als im Vorjahr verkauft und die Wachstumsprognosen für den deutschen Outdoor-Markt erheblich nach oben korrigiert. Eine Sonderkonjunktur erleben auch die Tiernahrungshersteller – viele Menschen haben sich Katzen oder Hunde zugelegt was Unternehmen wie Mars Petcare sogar vor das Problem stellt, mit der Produktion von Tierfutter nachzukommen, weil nicht genug Rohstoffe vorhanden sind. Ähnlichen Herausforderungen sieht sich auch der Baubereich gegenüber, dem es nicht an Aufträgen, aber an Material mangelt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Corona-Pandemie die deutsche Wirtschaft zum Teil sehr hart getroffen hat. Allerdings gibt es nicht wenige Branchen und Unternehmen, für welche die Krise weitaus mehr als ein glücklicher Zufall war. Inwieweit die hier aufgezeigten Entwicklungen von Langfristigkeit geprägt sein werden, kann derzeit wohl kaum jemand verlässlich prognostizieren.

Autor Prof. Dr. Manfred Krafft ist Professor für Betriebswirtschaftslehre am Marketing Center Münster (MCM).

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 4, 16. Juni 2021.