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Prof. Gernot Sieg äußert sich zu einem möglichen Verbot von Kurzstreckenflügen

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Kurzstreckenflüge erfreuen sich unter deutschen Fluggästen großer Beliebtheit. Im Jahr 2019 wurden nach Angaben des Statischen Bundesamtes knapp zwei Millionen Flüge über die deutschen Hauptverkehrsflughäfen durchgeführt. Davon entfielen 16,4 Prozent auf den innerdeutschen Luftverkehr. Kurzstreckenflüge vom und ins Ausland, die eine Distanz von 1.000 Kilometern nicht überschritten, hatten einen Anteil von 35,6 Prozent. Auf Kurzstreckenflüge entfiel somit insgesamt die Hälfte aller gewerblichen Flugbewegungen. Der Anteil der Passagier/innen fällt dabei mit 40 Prozent geringer aus, da auf längeren Strecken meist größere Flugzeuge eingesetzt werden. Ein Drittel aller innerdeutschen Passagier/innen steigt in Frankfurt oder München auf einen internationalen Flug um.

In der Politik werden Forderungen nach einem Aus für Kurzstreckenflüge derzeit lauter. Diese Art des Reisens sei vor dem Hintergrund bestehender Klimaziele kaum noch tragbar. Ziel dieses Vorstoßes ist es, den CO2-Ausstoß zu begrenzen und somit zum Klimaschutz beizutragen. Kritiker/innen sind jedoch skeptisch, ob die Einschränkung des Flugverkehrs auf der Kurzdistanz im Ergebnis tatsächlich dazu beitragen könne, CO2-Emissionen zu verringern und schließlich einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten.  

Prof. Dr. Gernot Sieg ist Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der WWU Münster. Im Interview mit Radio RST spricht er sich gegen ein Verbot von Kurzstreckenflügen aus. Innereuropäische Flüge sind zurzeit Teil des Europäischen Emissionshandelssystems. Wenn ein solcher Flug aufgrund eines Verbots oder mangelnder Nachfrage ausfalle, dann werde an anderer Stelle, beispielsweise in der industriellen Produktion in einem der EU-Staaten eine zusätzliche CO2-Menge emittiert, die exakt der vermeintlich eingesparten Menge entspreche. Gernot Sieg betont daher, dass ein Verbot von Kurzstreckenflügen wirkungslos sei, wenn nicht gleichzeitig die auf Basis der Emissionszertifikate der EU vorgesehene CO2-Menge reduziert werde.

Handele es sich bei dem Kurzstreckenflug um einen Zubringer, um im Drehkreuz Frankfurt oder München den Langstreckenweiterflug anzutreten, dann könnten Passagier/innen andere Hubs wie in Dubai oder Rom nutzen. Demnach könnte ein Verbot von Kurzstreckflügen dazu führen, dass Urlaubsreisende statt des geplanten Kurzstreckenfluges eine längere Strecke in Kauf nehmen und somit zu einer Erhöhung der Emissionen beitragen. Geschäftsreisende könnten, statt einen Tag oder eine Nacht in der Bahn zu verbringen, einen weiter entfernten Hub ansteuern, Schlupflöcher nutzen (bspw. Hubschrauber, Privatjets oder Drohnen) oder Ausnahmen geltend machen. Wichtige Flüge müssten vom Verbot wohl ebenfalls ausgenommen werden, sonst könnten sich Regierungsmitglieder oder Parlamentarier/innen nicht häufig genug treffen, Journalist/innen nicht darüber berichten und Notärzt/innen und Militär müssten selbst in Notfällen Verspätungen in Kauf nehmen.

Prof. Sieg setzt sich daher für die Nutzung synthetischer Antriebsstoffe ein. Auf Basis synthetischer Kraftstoffe sei es unter den richtigen Rahmenbedingungen möglich, den Flugverkehr bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Die damit verbundenen um ca. 50 Prozent höheren Ticketkosten seien einem Verbot von Flügen vorzuziehen.

Auszüge des Interviews finden Sie hier.