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Dekanat

Auf der Suche nach weißen Flecken

Prof. Dr. Klaus Backhaus beendet seine universitäre Tätigkeit am Marketing Center Münster
© privat

Beliebtester Hochschullehrer, international bekannter Marketingexperte, engagierter Münsteraner: Prof. Dr. Klaus Backhaus beendet seine universitäre Tätigkeit, zehn Jahre nach seiner offiziellen Emeritierung. Der Wissenschaftler ist einer der ersten und somit wohl auch dienstältesten Seniorprofessoren der WWU. In seiner 35-jährigen Tätigkeit hinterließ Klaus Backhaus an seinem Institut für Industriegütermarketing im Marketing Center Münster (MCM) reichlich Spuren.

„Während die Physiker nach schwarzen Löchern suchen, habe ich immer nach weißen Flecken Ausschau gehalten“, scherzt Klaus Backhaus. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Der von ihm entwickelte Münsteraner Geschäftstypenansatz gilt heute als einer der dominanten Erklärungsansätze im Industriegütermarketing. Beiträge in führenden Fachzeitschriften, die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität St. Gallen sowie ehrenvolle Rufe von in- und ausländischen Universitäten, unter anderem aus Berlin, München, Mannheim, Basel und Maastricht belegen das große Interesse an der Forschung des Experten aus Münster.

„Margarine verkauft sich anders als eine Meerwasser-Entsalzungsanlage“

Fragt man ihn nach den Besonderheiten des Industriegütermarketings, muss er nicht lange nachdenken. „Davon gibt es unzählig viele. Zum Beispiel werden Industriegüter in Verhandlungsprozessen vermarktet“, erläutert er. „Dabei werden Leistung und Gegenleistung, zum Beispiel der Preis, im Verkaufsprozess festgelegt.“ Das sei für die meisten Konsumgüter untypisch. „Margarine verkauft sich eben anders als eine Meerwasser-Entsalzungsanlage nach Saudi-Arabien.“ Verhandlungen würden im Industriegütermarketing nicht nur zwischen Anbieter und Nachfrager geführt, sondern fänden unter allen Teillieferanten statt, die sich zur Abgabe eines gemeinsamen Liefer- und Leistungsangebots zusammengeschlossen haben, einem sogenannten Konsortium. „Es entsteht ein komplexes Vertragsnetzwerk, dessen Einzelverträge untereinander kompatibel sein müssen.“ Das Management von Anbieter- und Nachfrager-Kooperationen zwischen ganz verschiedenen am Leistungserstellungsprozess beteiligten Organisationen spielt daher eine große Rolle und setzt Kenntnisse in verschiedene Fachdisziplinen voraus. Deshalb versteht sich Klaus Backhaus auch als „Multispezialist“. Er müsse sowohl die Sprache von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern mindestens so gut verstehen, „dass es wie bei einer Ampel rot aufleuchtet, wenn es gefährlich wird.“ Spätestens dann solle man einen Fachspezialisten hinzuziehen.

„Einmal sollte ich während meiner Praxiszeit einen Vertrag unterschreiben, in dem gesamtschuldnerische Haftung durch die fünf Anbieterkonsorten dem Kunden explizit zugestanden wurde“, erzählt der Wissenschaftler. „Das heißt, die Haftung war so weit ausgedehnt, dass alle für einen, aber auch einer für alle hafteten.“ Im gleichen Vertragsnetzwerk habe es jedoch auch eine Regelung im anbieterseitigen Konsortialvertrag gegeben, der ebendiese gesamtschuldnerische Haftung für die Anbietergruppe ausschloss. „Dieser Fall war genauso zu beurteilen, wie eine Nichtregelung.“ Zur Lösung müsse nationales Recht herangezogen werden. „Je nachdem kann es dabei zu überraschenden Lösungen kommen.“ Der Kenntnisstand über Verhandlungsverhalten ist seiner Meinung nach relativ groß. „Aber über das Management großer projektspezifischer Kooperationen wissen wir noch relativ wenig“, bedauert Klaus Backhaus. „Das ist Futter für nachfolgende Kohorten.“

Der Wissenschaftler trug seine Ergebnisse auch im Hörsaal vor und löste damit manchmal Verwunderung aus. „Viele Studierende assoziieren mit Marketing eher Markenartikel wie Persil oder Apple und den Instrumentenkasten der 4 Ps: product, price, place, promotion.“ Die Behandlung von projektspezifischen Finanzierungs- und Versicherungsleistungen sowie des internationalen Vertragsrechts überzeugten aber viele Studierende. Ein Beleg dafür ist die Wahl von Klaus Backhaus zum bundesweit ausgeschriebenen Titel „Professor des Jahres 2016“. Das Lehrbuch, das er mit seinem wissenschaftlichen Schüler Prof. Dr. Markus Voeth zum Industriegütermarketing verfasst hat, gilt als Standardwerk.

Kooperationen mit anderen Fachbereichen sind für Klaus Backhaus kein Selbstzweck. „Wenn wir beispielsweise eine umstrittene Rechtslage klären müssen, wenden wir uns eben an die Juristen.“ Erst kürzlich habe der Vorsitzende des London Court of Arbitration ein gemeinsam verfasstes Gutachten hervorgehoben, berichtet der Wissenschaftler. „Darin ging es um die Vermarktung von Linearbeschleunigern, die in der Strahlentherapie eingesetzt werden.“ Über Fächergrenzen hinaus engagierte sich Klaus Backhaus auch in der akademischen Selbstverwaltung, unter anderem als Mitglied im Akademischen Senat und im Hochschulrat der WWU.

Als überzeugter Münsteraner arbeitete Klaus Backhaus mit mehreren Gremien der Stadt zusammen, beispielsweise mit dem Marketingbeirat. Zudem erstellte er mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eine Szenarioanalyse zur Zukunft der Stadt Münster und des Münsterlandes. Im August 2020 verlieh ihm deshalb Oberbürgermeister Markus Lewe das „Silberne Rathaus“, mit dem sich die Stadt bei Klaus Backhaus für dessen Engagement bedankte.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 19. Mai 2021.