|
Dekanat

„Socially (Ir-)responsible Algorithms“ – was unsere Social-Media-Profile über uns verraten

© pexels.com

Im Rahmen des MCM-Forschungsseminars untersuchen Studierende der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, inwiefern Informationen von Nutzerinnen und Nutzern sozialer Medien dazu genutzt werden können, um verlässliche Prognosen über ihre Persönlichkeitsmerkmale zu erstellen. Sie können zeigen, dass unsere Social-Media-Profile mehr über uns preisgeben als vielen Usern klar sein dürfte.

Soziale Medien haben die Art und Weise verändert, wie Menschen miteinander kommunizieren. Sie bieten uns die Möglichkeit, problemlos mit Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt zu interagieren. Sie liefern täglich interessante Informationen und lassen uns ständig Neues entdecken. Auf diese Weise sind die sozialen Medien für viele, vor allem junge Menschen zu einem wichtigen Teil ihres täglichen Lebens geworden.

Da unser eigener digitaler Fingerabdruck innerhalb der Social-Media-Welt fremden Menschen mehr über uns verraten kann, als wir bereit sind, mit der Öffentlichkeit zu teilen, ist die Nutzung sozialer Medien jedoch mit häufig missachteten Gefahren verbunden. Im Jahr 2013 veröffentlichten Kosinski et al. eine viel beachtete Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“. Die Studie zeigt, wie individuelle Präferenzen, sogenannte „Likes“, von Facebook-Fanseiten genutzt werden können, um persönliche Nutzermerkmale wie Alter, Herkunft, Geschlecht, politische und sexuelle Orientierung sowie Ess- und Trinkgewohnheiten vorherzusagen.

Während die Autoren das Ziel verfolgten, auf die möglichen Gefahren der Nutzung sozialer Medien aufmerksam zu machen, zeigen ihre Erkenntnisse, die Macht, die von öffentlichen geteilten Informationen ausgeht, die in den sozialen Medien zu finden sind. So nutzte Alexander Kogans App „This Is Your Digital Life“ in der Folge ein Schlupfloch in Facebooks Programmierschnittstelle, um sich Zugang zu Informationen über das Nutzerverhalten von mehr als 80 Millionen Facebook-Usern zu verschaffen. Dabei erfolgte der Zugriff in vielen Fällen ohne die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer, da die App nicht nur Informationen aus Profilen ihrer User, sondern auch Informationen über die Freundinnen und Freunde des jeweiligen Users nutzte.

Nach Angaben des Unternehmens dienten die auf diese Weise gewonnenen Daten Cambridge Analytica in der Folge für die Planung und Steuerung politischer Kampagnen im Rahmen des Brexit-Referendums, der republikanischen Vorwahlen 2016 und der anschließenden US-Präsidentschaftswahlen. In der Folge erklärte CEO Alexander Nix in verschiedenen Keynotes, dass Cambridge Analytica die Daten nutzte, um persönliche Eigenschaften der User vorherzusagen und diese Informationen anschließend zu verwenden, um User im Rahmen politischer Kampagnen gezielt mithilfe von Werbemaßnahmen anzusprechen.

Trotz dieser Entwicklungen nimmt die Nutzung der sozialen Medien weiter zu, obgleich heutzutage andere Plattformen wie Instagram und TikTok im Fokus der Nutzerinnen und Nutzer stehen. Obgleich diese Plattformen verstärkt auf die Nutzung von Fotos und Videos setzen, müssen User anderen folgen, um auf die Inhalte des jeweiligen Accounts zugreifen zu können. Die Information, welcher User einem anderen Account folgt ist dabei öffentlich einsehbar. Daher besteht auch hier die Möglichkeit, Informationen über Nutzerinnen und Nutzer zu sammeln und mit persönlichen Merkmalen zu koppeln, um daraus Vorhersagen über das Nutzerverhalten ableiten zu können.

Im Zuge eines Forschungsseminars haben Studierende der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät untersucht, in welchem Ausmaß Persönlichkeitsmerkmale eines Users mit Hilfe seiner öffentlich zur Verfügung gestellten Informationen vorhergesagt werden können. Dabei orientierten sich die Studierenden an der Vorgehensweise aus Kosinski et al. (2013), die sie auf 2.000 Instagram-User übertrugen. Hierzu wurde eine Umfrage durchgeführt, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten wurden, anzugeben, welchen beliebten Instagram-Accounts sie folgen. In Anlehnung an Kosinski et al. wurde anschließend auf Basis des Userverhaltens eine Prognose der Merkmale erstellt. Auch wenn die Stichprobe deutlich kleiner ausfiel als in der ursprünglichen Studie, konnten die Studierenden Persönlichkeitsmerkmale ähnlich gut vorhersagen wie das Forscherteam.

In einer Folgestudie konnten die Studierenden zeigen, dass es keinerlei Daten aus einer Umfrage bedarf, um eine Vorhersage über Nutzereigenschaften zu treffen. In der Erweiterungsstudie wurden über 200.000 Instagram-Profile untersucht, um mittels der von den Nutzerinnen und Nutzern öffentlich bereitgestellten Profilinformationen einen weiteren Untersuchungsdatensatz zu generieren. Auf Basis dieser öffentlich verfügbaren Informationen können KI-basierte Vorhersagen für Personen getroffen werden, die keinerlei persönliche Informationen bereitstellen. Die verwendeten Algorithmen können mithilfe maschinellen Lernens mit hoher Vorhersagegüte Informationen wie Geschlecht, Alter, politische Einstellung, Wohnort, Drogenkonsum oder sexuelle Orientierung vorhersagen.

Die Studien zeigen, dass User, die sich der Risiken von Social Media bewusst sind, und auf ihre Privatsphäre achten, vom Verhalten der weniger sensitiven Nutzerinnen und Nutzer ebenso betroffen sind und entsprechende Risiken in Kauf nehmen müssen. Daher sprechen sich die Forscherinnen und Forscher dafür aus, Kinder und Jugendliche frühzeitig über die möglichen Gefahren und Risiken bzw. die Konsequenzen von Datenmissbrauch im Internet zu informieren.

In den folgenden Videos schildern die Studierenden ihre Arbeit.