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Dekanat

Zufallsentscheidungen im Management

Zur Bedeutung aleatorischer Verfahren bei der Besetzung von Vorstandsposten

Die Besetzung von Vorstandsposten unterliegt in Unternehmen üblicherweise einem zeitaufwendigen, akribischen Prozess. Die Notwendigkeit eines aufwendigen Auswahlverfahrens begründen Unternehmen dadurch, dass Vorstandsmitglieder kritische Entscheidungen treffen, die den zukünftigen Erfolg des Unternehmens in nicht unerheblichem Maße beeinflussen. Dass sich Unternehmen einen Teil der hierfür anfallenden Kosten sparen könnten, darauf deutet eine aktuelle Studie eines Forscherteams aus deutschen und schweizerischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Beteiligung von Prof. Dr. Thomas Ehrmann hin. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Anwendung des Zufallsprinzips im Kontext der Besetzung von Führungspositionen und ihre Folgen in mehreren experimentellen Studien untersucht. „Chef oder Chefin per Los mag auf den ersten Blick verrückt erscheinen. Doch konnten wir in unseren Experimenten zeigen, dass es gute Gründe für den Einsatz von aleatorischen Verfahren im Management gibt“, schreiben Prof. Margit Osterloh und Prof. Katja Rost von der Universität Zürich, die zu den Autoren der Studie gehören, in einem aktuellen Blogbeitrag.

Im Rahmen der Studie untersuchte das Forscherteam, inwiefern eine zufällige Berufung von Anführern ihr Verhalten beeinflusst. Hierzu wurden mehr als 800 Probandinnen und Probanden in Gruppen von sechs Personen eingeteilt. Anschließend sollten die Probandinnen und Probanden 30 Wissensfragen beantworten und eine Einschätzung darüber abgeben, wie viele Fragen sie korrekt beantworten konnten. Hieraus können die Forscherinnen und Forscher eine Differenz zwischen wahrgenommener und beobachtbarer Leistung ableiten, die als Indikator für die Selbstüberschätzung der Probandinnen und Probanden dient. Aus den Mitgliedern der Gruppen wurden schließlich auf unterschiedliche Weisen eine Person als Anführerinnen bzw. Anführer bestimmt. In einer ersten Variante, wurde streng nach beobachtbarer Leistung diejenige Person ausgewählt, die die meisten Fragen korrekt beantworten konnte. In einem alternativen Verfahren wurde eine Person per Zufall bestimmt. Im Zuge eines dritten Verfahrens wurde letztlich eine Kombination aus beiden Varianten durchgeführt: So kamen drei der sechs Gruppenmitglieder basierend auf ihrem Antwortverhalten in eine Endausscheidung, die letztlich wiederum vom Zufall bestimmt wurde. Zum Abschluss des Experiments wurden den Anführerinnen und Anführern Geldeinheiten zugewiesen, die sie entweder einbehalten oder an die anderen Gruppenmitglieder verteilen konnten. Basierend auf dem Zuteilungsverhalten der Probandinnen und Probanden konnte das Forscherteam eine interessante Beobachtung machen. So zeichneten sich diejenigen Anführerinnen und Anführer, die sich bei der Beurteilung ihres Antwortverhaltens selbst überschätzt hatten, häufiger durch einen Machtmissbrauch im Sinne der Einbehaltung der zugewiesenen Geldeinheiten aus. Ein solches Verhalten war hingegen deutlich seltener zu beobachten, wenn die jeweilige Person per Zufall ernannt wurde. 

Die Berufung von Anführerinnen und Anführern auf Basis zufälliger Verfahren ist indes kein völlig neues Phänomen: „So wurden im antiken Griechenland politische Positionen per Los aus den männlichen Bürgern Athens bestimmt. Auch in italienischen Stadtstaaten wie Venedig oder Florenz wurde in der frühen Neuzeit vom Losverfahren für die Verteilung politischer Macht Gebrauch gemacht, ebenso wie an der Universität und in der Stadt Basel im 18. Jahrhundert,“ fasst Margit Osterloh in ihrem Blog zusammen.

Über die Arbeit des Forscherteams berichtet u.a. die WirtschaftsWoche in einem aktuellen Beitrag.

Quelle: Joël Berger, Margit Osterloh, Katja Rost und Thomas Ehrmann (2020): How to prevent leadership hubris? Comparing competitive selections, lotteries, and their combination, The Leadership Quarterly 31(5): 101388.