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„Regeln gegen Steuervermeidung sind wenig zielführend“

Prof. Nadine Riedel über einen Systemwechsel in der internationalen Unternehmensbesteuerung

Die effektiven Steuersätze auf Unternehmensgewinne sind seit Jahren rückläufig. Zum einen ist dies ein Ergebnis staatlichen Steuerwettbewerbs, zum anderen verschieben Unternehmen Gewinne und Investitionen in Länder mit äußerst geringen Steuersätzen. In weitreichenden Projekten haben OECD und EU-Länder Regeln verschärft und über nationale Grenzen hinweg vereinheitlicht, um diese Entwicklung zu unterbinden.

„Diese Vorschriften schwächen Gewinnverlagerung ab, aber eliminieren sie nicht,“ konstatiert Prof. Dr. Nadine Riedel, Direktorin des Instituts für Wirtschaftspolitik und Regionalökonomik, in ihrer aktuellen Handelsblatt-Kolumne. Die Regeln gehen mit hohen Befolgungs- und Administrationskosten einher. Verschärfungen der Vorschriften gehen auch zu Lasten von Unternehmen, die ihre Gewinne nicht in Niedrigsteuerländer verlagern: In der Corona-Krise sind bspw. die Schuldenstände privater Unternehmen stark angestiegen. Aber Zinskosten können nicht immer steuerlich geltend gemacht werden, da die Zinsschranke greift – eine Maßnahme gegen Steuervermeidung im Kontext kreditbasierter Finanzierungsmodelle.

„Selbst wenn Anti-Missbrauchs-Regeln Steuervermeidung effektiv reduzieren, erodieren sie dennoch die Möglichkeit, Unternehmensgewinne staatlich zu besteuern. Denn dann werden Produktion und Arbeitsplätze selbst in Niedrigsteuerländer verlagert, mit im Zweifel höheren volkswirtschaftlichen Kosten,“ so Prof. Riedel.

Sie ist der Ansicht, dass zur Lösung des Problems ein Systemwechsel nötig ist: „Gewinne könnten zukünftig in den Absatzmarktstaaten besteuert werden, also dort, wo Waren und Dienstleistungen an den Kunden verkauft werden, statt in den Quellstaaten, in denen die Produktion stattfindet.“ So könnte die Steuer auf diese Weise an „immobile“ Konsumenten geknüpft werden, statt sie an den Standort mobiler Gewinne zu binden.

Die OECD lasse in ihren aktuellen Reformvorschlägen erste Schritte in diese Richtung erkennen. Aus Sicht von Prof. Riedel sind umfassendere Schritte notwendig.

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