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Für eine gerechtere Gewinnbesteuerung multinationaler Unternehmen

Prof. Johannes Becker über die Vorschläge der OECD zur Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung

Die Globalisierung hat vielen Nationen hohe Wohlstandsgewinne beschert. Gleichzeitig bringt sie neue Herausforderungen mit sich. So wird der Markt zunehmen global, die Politik bleibt jedoch weitgehend national. Dies gilt auch für die Steuerpolitik. Das internationale System der Gewinnbesteuerung multinationaler Unternehmen basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip der Quellenbesteuerung, welches eine Versteuerung der Unternehmensgewinne an dem Ort der jeweiligen Betriebsstätte vorsieht – also dort, wo Gewinne erwirtschaftet werden. Indem Unternehmen verhindern, dass ihre Aktivitäten die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllen oder Gewinne in Staaten mit geringeren Steuersätzen verschieben, können sie eine Besteuerung vermeiden oder zumindest eindämmen. In beiden Fällen haben Unternehmen der Digitalwirtschaft besonders großen Spielraum.

Empirische Untersuchen belegen, dass Unternehmen nicht nur aus der Digitalwirtschaft den so entstehenden Spielraum für Gewinnverschiebung in der Praxis tatsächlich nutzen. Studien zeigen, dass ohne Gewinnverschiebung das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent höher wäre als es derzeit ist. Weitere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass ca. 600 Milliarden US-Dollar an Gewinneinkommen in Steueroasen verbucht werden.

Als Reaktion hat die OECD im August 2017 eine Initiative mit dem Titel „Tax challenges of the digitalisation of the economy“ vorgestellt. Die Motivation der Initiative liegt in der unzureichenden Besteuerung großer Unternehmen der Digitalwirtschaft wie Google, Facebook und Apple. Die von der OECD vorgeschlagenen Maßnahmen stützen sich auf zwei Säulen: Die erste Säule verlagert einen Teil der Besteuerungsrechte in die Marktstaaten – also dorthin, wo die Konsumentinnen und Konsumenten sind. Die zweite Säule sieht eine Art Mindestbesteuerung der Gewinne multinationaler Unternehmen vor. Die Heimatstaaten dieser Unternehmen sollen das Recht erhalten, die Auslandsgewinne teilweise in die heimische Bemessungsgrundlage aufzunehmen, wenn der effektive Gewinnsteuersatz im Ausland ein Mindestmaß unterschreitet.

In einem aktuellen Beitrag äußert sich Prof. Dr. Johannes Becker, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft I, zu den Herausforderungen und Erfolgsaussichten der Initiative. „Intuitiv lässt sich das Reformwerk als Versuch verstehen, das Geschäftsmodell von Steueroasen empfindlich zu schwächen und den Steuerwettbewerb vor allem um Buchgewinne zu dämpfen: Die erste Säule verringert die zu verteilenden Gewinne, die zweite Säule zieht eine Untergrenze für die Steuersätze ein,“ so Prof. Becker. Hinsichtlich der Wirkung gibt sich der Finanzwissenschaftler hingegen skeptisch: „Es ist absehbar, dass diese Erwartungen selbst bei einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen enttäuscht werden. Selbst wenn sowohl eine teilweise Verlagerung von Besteuerungsrechten in die Marktstaaten als auch eine globale Mindeststeuer eingeführt werden, bedeutet dies keineswegs ein Ende des Steuerwettbewerbs. Auf dem Tisch liegen graduelle Verbesserungen, nicht mehr und nicht weniger.“

Dennoch hält Prof. Becker die angestrebten Reformen für einen Schritt in die richtige Richtung: „Die nun diskutierten Reformen sind zumindest teilweise eine notwendige Korrektur jahrzehntelanger Fehlentwicklungen. Sie werden Wettbewerbsnachteile für Unternehmen ohne Zugang zu Steueroasen verringern und den Steueranreiz für betriebswirtschaftlich unsinnige Investitionen in periphere Standorte reduzieren.“

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