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Prof. Dr. Thomas Apolte: „EU braucht Verfassungsdebatte“

Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich im Kampf gegen die Wirtschaftskrise in Folge der weltweiten Coronapandemie in der vergangenen Woche auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Insgesamt umfasst das Paket 1,8 Billionen Euro – davon 1.074 Milliarden für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der pandemiebedingten Krise. Mit dem Finanzpaket stemmen sich die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch und zielen auf die Stabilisierung des EU-Binnenmarktes. Hierzu werden im Namen der EU erstmals in großem Umfang Kredite aufgenommen, an die Mitgliedsstaaten verteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

Die sogenannten „sparsamen Vier“ – Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden – stimmen somit nach mehrtägiger Debatte einer gemeinschaftlichen Aufnahme von Schulden zu. Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe der Zuschüsse von 500 Milliarden auf 390 Milliarden Euro zu reduzieren. Hinzu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredite vergeben werden. Hinsichtlich der Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, einigten sich die Mitgliedsstaaten auf eine Kompromisslösung.

„Die Reduktion des Anteils der Direktzuweisungen auf 390 Milliarden Euro, ein paar Rabatte an die ,sparsamen Vier‘ und die von verschiedener Seite gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban signalisierte Absicht, auf eine Verknüpfung der Finanzhilfen mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht zu pochen.“ So fasst Thomas Apolte, Professor für Ökonomische Politikanalyse am FB4 das Ergebnis des EU-Gipfels zusammen. „Wenn selbst Grundwerte verhandelbar sind, dann zeigt das, wie weit wir von dem viel beschworenen ,Hamilton-Moment‘ des 750 Milliarden Euro schweren Aufbauplans entfernt sind“, so Prof. Apolte. Dass dieser bereits durch die gemeinsame Kreditaufnahme zu erreichen sei, „war von Beginn an eine Illusion“. Daher werde die EU sich „weiterhin einen rückwärts gerichteten Haushalt mit Agrarsubventionen und Strukturfonds leisten wie 27 Armeen und weltpolitische Bedeutungslosigkeit.“

Die Zustimmung des Europäischen Parlaments und auch der nationalen Parlamente zum Beschluss der Staats- und Regierungschefs steht derweil noch aus. Erst im Anschluss können die Milliarden aus dem geplanten Aufbaufonds und der im kommenden Jahr beginnenden EU-Finanzvorausschau für die Jahre 2021-2027 fließen.