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Dekanat

50 Jahre FB4 - 50 Jahre Heribert Meffert

„WIR FB4“ – vier Fragen an Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

Nicht nur die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät feiert in diesen Tagen ein Jubiläum: Vor 50 Jahren – am 1. April 1969 – hat Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert seine Tätigkeit an der Fakultät aufgenommen. Hier leitete er von 1969 bis 2002 den ersten Marketing-Lehrstuhl Deutschlands. 1981 war er Gründungsmitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V. Im Jahr 1999 gründete Heribert Meffert gemeinsam mit Dieter Ahlert und Klaus Backhaus das Marketing Center Münster (MCM). Für sein Engagement in Forschung, Lehre und Transfer genießt er noch heute außerordentliches Ansehen. Aufgrund seiner Pionierarbeit im Fach Marketing wird er oftmals als „Marketing-Papst“ oder als „Marketing-Legende“ bezeichnet. Wir haben ihm vier Fragen gestellt:

 

Lieber Herr Prof. Meffert, Sie sind vor 50 Jahren als Professor nach Münster gekommen. Inwiefern hat sich unsere Fakultät seitdem verändert?

Ich wurde Ende der 1960er Jahre, also in einer für Universitäten sehr unruhigen Zeit, auf einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Absatz und Handel an die damalige Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät berufen. Seit damals hat sich nicht zuletzt durch die Trennung der Wirtschaftswissenschaftlichen und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät viel verändert. In einer Zeit, in der die Zahl der Studierenden explosionsartig anstieg, hat die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät mit ihrer Ausrichtung auf die Schwerpunkte Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und später der Wirtschaftsinformatik ein hohes Maß an Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit bewiesen. Als ich nach Münster kam, war auch die Soziologie noch Teil der Fakultät. Die Veränderungen in den Strukturen des Fachbereichs, die in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen wurden, sind auch durch die schnell wachsende Nachfrage nach Studienplätzen zu erklären. Unsere Fakultät war bei den Studierenden immer sehr gefragt und sie war stets in der Lage, flexibel und konstruktiv auf solche Herausforderung zu reagieren. Das war ein wichtiger Eindruck für mich.

Ich kam damals, mit 31 Jahren, von einer etablierten und historisch gewachsenen Ordinarienuniversität. In Münster gab es eine solche, formale Herrschaft der Ordinarien bald nicht mehr. Die WWU war anderen Universitäten mit einer auf die Mitbestimmung aller Gruppen ausgerichteten, offenen und zukunftsorientierten Verfassung der Zeit voraus. Demgemäß erhielten auch zahlreiche junge Forscher die Chance, ihre Ideen umzusetzen.

Als ich an die Fakultät kam, dominierten die Volkswirte. Die international renommierten Wissenschaftler waren vornehmlich im Bereich der Volkswirtschaftslehre zu finden. Die Dominanz der Volkswirte hat jedoch im Zeitverlauf abgenommen, während die Betriebswirtschaftslehre zunehmend an Bedeutung gewann. Eine große Herausforderung in diesem Prozess war die Aufteilung der Ressourcen und Kapazitäten zwischen VWL- und BWL-Lehrstühlen. Obwohl es einen intensiven Wettbewerb um diese Ressourcen gab, blieb innerhalb des Fachbereichs die Einheit der Wirtschaftswissenschaften erhalten, sehr zu seinem Vorteil. An manchen anderen Universitäten kam es hingegen damals zu Teilungen in volks- und betriebswirtschaftliche Fachbereiche. In Münster blieb die Einheit der Wirtschaftswissenschaften eine wichtige Leitorientierung, die sich rückblickend sehr bewährt hat.

Zu Beginn der 1990er Jahre kam die Wirtschaftsinformatik als weiteres Studienfach an der Fakultät hinzu. Zudem stellten sich allmählich eine Balance und viele Verbindungslinien zwischen der volks- und betriebswirtschaftlichen Forschung ein. Die Fakultät hatte zwar stets den Anspruch leistungsfähiger wirtschaftswissenschaftlicher Theorie- und Methodenentwicklung, sie hat Wirtschaftswissenschaft jedoch immer als eine angewandte Wissenschaft interpretiert. Auch dies ist eine ihrer Stärken.

Das wissenschaftliche und praxisbezogene Netzwerk der Fakultät ist stetig gewachsen. Zudem ist eine Entwicklung von einem nationalen hin zu einem internationalen Netzwerk festzustellen, die auch heute noch nicht abgeschlossen ist. In der Lehre wurden sehr früh Unternehmerseminare eingeführt, wodurch die Fakultät sehr konsequent Kontakte in die Praxis aufbauen konnte. Hieraus sind im Laufe der Zeit umfangreiche Weiterbildungsprogramme – sogenannte postgraduale Studiengänge – entstanden.

 

Die Wiege des Marketing in Deutschland steht bekanntlich am FB4. Inwiefern hat sich „Ihr“ Fach über die Jahre hinweg verändert?

Das Fach hat sich sehr dynamisch entwickelt. Aus dem Verkäufermarkt vergangener Tage ist ein Käufermarkt geworden. Diese Entwicklung ging mit wachsenden Einkommen und Ansprüchen einher. Erich Gutenberg betonte in diesem Zusammenhang: „Das Management muss sich nach Engpässen richten“. Dieser Engpass liegt heute nicht mehr in den Produktionskapazitäten, sondern vielfach in der Nachfrage, wodurch dem Marketing ein höherer Stellenwert beigemessen wird.

Für mich war Erich Gutenberg ein großes Vorbild. Doch eine mikroökonomische Betrachtungsweise, die rein auf ökonomischen Nutzen ausgerichtet ist, entspricht nicht den Bedingungen in der realen Wirtschaft. Eine breiter orientierte und vor allem verhaltenswissenschaftlich fundierte Orientierung hat im Laufe der Zeit in der Marketingforschung stark an Bedeutung gewonnen. Mir war in diesem Zusammenhang wichtig, eine Einordnung des Marketing in größere und komplexere Zusammenhänge der marktorientierten Unternehmensführung zu betonen und zu vermitteln. Die 1989 auf meine Initiative hin gegründete Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung,  hat im Dialog und Transfer zwischen Theorie und Praxis, zu dieser Entwicklung wesentlich beigetragen.

In Forschung und Lehre hat das Fach im Laufe der vergangenen Jahrzehnte Einzug in die deutsche Hochschullandschaft gefunden. Die Anzahl der Marketingprofessuren an deutschen Universitäten und Hochschulen ist nahezu explosionsartig gestiegen, was mit einer Spezialisierung und Ausdifferenzierung des Faches einherging. Zudem ist analog zum MCM in Münster, dem ersten Marketing Center, auch an anderen großen Universitäten eine Centren-Bildung im Marketing zu beobachten.

 

Worin liegen Ihrer Meinung nach die größten Stärken unserer Fakultät?

„Herkunft schafft Zukunft“ – nach dieser Devise wurden im Zeitverlauf klassische Schwerpunkte ausgebaut und um neue Angebote in Forschung und Lehre erweitert. Eine gemeinsame Basis – eine ganzheitliche, institutionen- und bereichsübergreifende Denkweise – war dabei von besonderer Bedeutung. Heute befindet sich die Fakultät hinsichtlich der Theorieorientierung, dem Transfer in die Praxis und der Forschung, die untrennbar mit der Lehre zusammenhängt, in einer ausgewogenen und erfolgreichen Position. Diese Positionierung ist auch durch das außerordentlich starke Wachstum der Fakultät zu erklären. Die wachsende Spezialisierung und Differenzierung der wirtschaftswissenschaftlichen Teilbereiche machte es erforderlich, die Kräfte in Forschung und Lehre stärker zu bündeln. Durch die Centren-Bildung wurde diese Bündelung auf organisationaler Ebene vollzogen. Die Centren symbolisieren heute auf eine sehr individuelle Art und Weise die „Highlights“ nach außen. Durch die Centren-Bildung gelingt es dem Fachbereich auch im internationalen Kontext eine höhere Strahlkraft zu entfalten. Es ist eine große Stärke des Fachbereichs, dass es immer wieder gelingt, auf Herausforderungen des wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Wandels, überzeugende und akzeptierte Lösungen zu finden. Ihre Entwicklungsfähigkeit und der Blick nach vorne, sind für große Organisationen immer als eine Stärke einzuschätzen. Dazu gehört es auch, seine Verankerung und den Ausgangspunkt nicht zu vernachlässigen. Beides zusammen fördert ein gemeinsames Verständnis über notwendige Weichenstellungen.  

 

Trotz einiger Rufe von verschiedenen in- und ausländischen Universitäten sind Sie unserem Fachbereich stets treu geblieben. Warum war Münster immer die bessere Lösung?

Durch die Studienreformen der vergangenen Jahrzehnte und den wachsenden Wettbewerb von Publikationen in international anerkannten Journals hat sich selbstverständlich auch die Struktur und Kultur unserer Fakultät verändert. Doch ich blicke gerne zurück auf eine Zeit dynamischen, zukunftsorientierten Wandels. Die Anpassungsfähigkeit, die unsere Fakultät oftmals unter Beweis gestellt hat, habe ich immer sehr geschätzt. Dabei haben die handelnden Personen vielfach Mut und Weitsicht bewiesen. So hieß es: „Lassen Sie den jungen Mann mal machen“, als ich den Antrag zur Einrichtung des ersten Marketing-Instituts stellte. Eine solche Fairness und Gleichberechtigung war zu dieser Zeit nicht unbedingt beispielhaft für die deutsche Hochschullandschaft. Die Möglichkeiten und Freiräume, die ich an der Fakultät genießen konnte, gepaart mit einer freundlichen, kollegialen und konstruktiven Atmosphäre, haben die Kultur am Fachbereich immer ausgezeichnet. Man war stets der Überzeugung, einen gemeinsamen Fortschritt erzielen und Lösungen finden zu können.

Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der WWU hat es geschafft, über die Jahre hinweg auf guten Plätzen in der ersten Liga mitzuspielen. Ein solches Ranking, das damit verbundene Image und Ansehen in Wissenschaft und Praxis, hat mich immer positiv motiviert und meine Loyalität gestärkt. Die Fakultät hat sich dabei stets weiterentwickelt. Ich hatte immer das Gefühl, zu dieser Entwicklung beitragen zu können – diese Herausforderung hat mich über die Jahre hinweg motiviert. Trotz zahlreicher späterer Berufungen – bis in die Schweiz – waren die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät und die WWU für mich immer die bessere Lösung. Ich hatte immer das Gefühl: Hier in Münster, hier an diese Fakultät, hier gehöre ich hin!