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Dekanat

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät begrüßt Prof. Dr. Isabel Schnabel zum Abschluss der Ringvorlesung

„Ist Europa für die nächste Krise gewappnet? Die Rolle der Europäischen Banken- und Kapitalmarktunion“
V.l.n.r.: Prof. Johannes Becker, Prof. Bernd Kempa, Prof. Isabel Schnabel, Prof. Theresia Theurl, Prof. Andreas Pfingsten, Prof. Alexander Dilger, Prof. Karl-Hans Hartwig, Prof. Andreas Löschel

Am Donnerstagabend endete die Ringvorlesung des Wintersemesters, im Rahmen derer vier renommierte Gäste der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in vier Vorträgen einen Ausblick auf „Europas Zukunft“ gewagt hatten. Nach den Vorträgen von Prof. Clemens Fuest (ifo Institut, Uni München), Prof. Martin Hellwig (Max-Planck-Institut, Bonn) und Prof. Anke Hassel (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf) schloss die Veranstaltungsreihe mit dem Vortrag von Prof. Isabel Schnabel. Isabel Schnabel ist Professorin für Finanzmarktökonomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und seit Juni 2014 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. „Ist Europa für die nächste Krise gewappnet? Die Rolle der Europäischen Banken- und Kapitalmarktunion“, so lautete der Titel des Vortrages.

Im Hinblick auf den Titel der Veranstaltungsreihe verwies Prof. Schnabel gleich zu Beginn ihres Vortrages auf ein Zitat von Hans-Dietrich Genscher: „Europa ist unsere Zukunft – eine andere haben wir nicht“. Dennoch fiel ihr Urteil zur aktuellen wirtschaftlichen Situation innerhalb der Währungsunion verhalten aus: „Der Euroraum ist weiterhin fragil.“ So sei nach einem langen Aufschwung in Folge der Krisenjahre mittlerweile ein deutlich langsameres Wachstum zu beobachten. Der Euroraum befinde sich derzeit in „unruhigem Fahrwasser“ – das Risiko einer erneuten Krise sei trotz wesentlicher wirtschaftspolitischer Fortschritte (Europäische Bankenunion, Reformierter Stabilitäts- und Wachstumspakt, neue Kapital- und Liquiditätsvorschriften für Bankeninstitute: Basel III) durchaus gegeben.

Während der Finanzkrise sei im Euroraum ein deutlicher Anstieg der öffentlichen Schulden zu beobachten gewesen. Diese seien im Zuge des Aufschwungs jedoch kaum zurückgeführt worden, weshalb den betroffenen Staaten im Falle einer Rezession nur geringe fiskalische Spielräume zur Verfügung ständen. Auch der geldpolitische Spielraum sei im Krisenfall begrenzt. So erfordere die makroökonomische Entwicklung schon seit Längerem eine Normalisierung der Geldpolitik. Ein Ausstieg aus der „lockeren“ Geldpolitik werde angesichts des langsameren Wachstums jedoch zunehmend schwieriger. Auch die europäischen Banken seien für eine erneute Krise wenig gewappnet. So sei in Folge der neuen Kapital- und Liquiditätsvorschriften der Eigenkapitalanteil zwar gestiegen, jedoch nicht in ausreichendem Maße, um im Krisenfalle ein hinreichendes Polster zu bieten. Hinzu komme eine strukturell geringe Profitabilität im Bankensektor. Forderungen von Banken gegenüber einzelner Staaten seien weiterhin zu hoch - gleichzeitig sei eine hohe Konzentration heimischer Staatsanleihen bei inländischen Banken zu beobachten. Dies habe zu Folge, dass sich eine Staatsschuldenkrise direkt auf heimische Banken übertragen könne, was wiederum als Symptom einer geringen Finanzintegration und einer mangelnden grenzübergreifenden Risikoteilung zu betrachten sei.

Trotz des nach wie vor hohen Zuspruchs zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, sei eine politische Polarisierung zu beobachten, die mit dem Aufkeimen anti-europäischer Strömungen und politischen Spannungen innerhalb des Euroraums einhergingen. Die Beendigung der Euro-Krise und die wirtschaftliche Erholung sei im Wesentlichen auf die Aktivitäten der Europäischen Zentralbank zurückzuführen. In der Folge seien Einigungen über wirtschaftspolitische Reformen aufgrund unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Ansichten ausgeblieben. „Die Untätigkeit bedroht die Stabilität des Euroraums“, resümierte Prof. Schnabel.

Der wirtschaftspolitische Diskurs werde im Wesentlichen von zwei unterschiedlichen Sichtweisen bestimmt. So werde auf der einen Seite eine höhere Marktdisziplin gefordert, die auf die Einheit von Haftung und Kontrolle setze, fiskalische Disziplin und die Einhaltung von Regeln fordere und eine „Transferunion“ und einen damit einhergehenden Finanzausgleich zwischen einzelnen Staaten ablehne. Auf der anderen Seite stehe die Forderung nach einer stärkeren Risikoteilung und einer gemeinsamen Versicherung gegen asymmetrische Schocks. Während beide Sichtweisen in der Diskussion häufig mit verschiedenen Lösungswegen in Verbindung gebracht würden, betonte Prof. Schnabel, dass es sich bei den Philosophien der „Risikoteilung“ und der „Marktdisziplin“ um Komplemente handele. Risikoteilung ohne Disziplin führe demnach zu Anreizproblemen und sei somit langfristig nicht praktikabel. Disziplinierungsmechanismen, die ausschließlich auf einer politischen Durchsetzung beruhten, würden hingegen in der Praxis häufig nicht umgesetzt. Im Ergebnis sei Marktdisziplin ohne Risikoteilung kein Garant für Stabilität. In der Konsequenz sei eine Kombination beider Philosophien erforderlich, um eine stabilisierende und glaubwürdige Lösung zu kreieren.

Bezüglich der anzustrebenden Reformen betonte Prof. Schnabel, dass für eine Risikoteilung zwischen den Staaten, eine europäische Einlagensicherung notwendig sei, die die Vorzüge der Risikostreuung nutze und die Notwendigkeit einer staatlichen Intervention reduziere. Eine Stärkung der Integration des Bankensektors müsse ebenfalls im Interesse der Politik liegen. So müsse die grenzüberschreitende Kreditvergabe gefördert werden, um das Ansteckungsrisiko zwischen Staaten und heimischen Banken zu reduzieren. Gleichzeitig sei die Marktdisziplin durch ein glaubwürdiges Regime zur Abwicklung gefährdeter Banken zu stärken. Die Kosten einer Bankenpleite sollten demnach von den Anteilseignern und Gläubigern - nicht vom Steuerzahler - getragen werden.

Studierende der WWU finden alle Aufzeichnungen zur Ringvorlesung ab sofort im Learnweb: http://go.wwu.de/m8cvt.