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Wissenschaft und Praxis im Gespräch: „Digital und nah – Genossenschaftsbanken gestalten ihre Zukunft“

Dass die Digitalisierung die Bankwirtschaft grundlegend verändern wird, ist in den vergangenen Jahren bereits deutlich geworden. Auch die Genossenschaftliche FinanzGruppe stellt sich diesen Herausforderungen, die gemeinsame Produkte und Standards ebenso verlangen wie individuelle Anstrengungen vor Ort. Dabei gilt zu beachten, dass „digital“ und „nah“ sich nicht ausschließen müssen, sondern vielmehr eine sehr gute und zukunftsorientierte Kombination bilden können.

Die neueste Veranstaltung der erfolgreichen Reihe „Wissenschaft und Praxis im Gespräch“ widmete sich daher dem aktuellen Thema „Digital und nah – Genossenschaftsbanken gestalten ihre Zukunft“. Über 300 interessierte Teilnehmer waren der Einladung des Instituts für Genossenschaftswesen unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl gefolgt, um diese Thematik zu diskutieren.

Wolfgang Klotz, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Volksbank eG Böblingen sowie Vorsitzender des Fachrates IT und Mitglied im SPSA, BVR, eröffnete die Veranstaltung mit seinem Vortrag zum Thema „Digitalisierung: Gemeinsame Anstrengung, lokale Umsetzung“. Er präsentierte einen Überblick über die Auswirkungen der Digitalisierung und darüber, wie aktuell mit dieser Thematik in der FinanzGruppe und lokal in der Bank vor Ort umgegangen wird. Grundsätzlich liegt die Herausforderung darin, dass die Kundenschnittstelle der Bank durch andere Unternehmen besetzt werden kann. Zum einen schieben sich Plattformen bzw. Aggregatoren in die Schnittstelle zwischen Kunde und Genossenschaftsbank, zum anderen entwickeln Innovatoren neue Leistungen und Prozesse. Zudem treten Disruptoren auf, welche die Bank durch technologische Konzepte vollständig ersetzen könnten. Dies führt dazu, dass sich Genossenschaftsbanken dieser Entwicklung annehmen und ihre Vorteile nutzen müssen. Ein guter Ansatz hierfür sei die bestehende Kundennähe zu nutzen und die Technologie in die Strategie der Genossenschaftsbanken einzubinden. Die Umsetzung erfordere jedoch Expertise und könne daher nur gemeinsam im Verbund bewältigt werden kann. Die Digitalisierungsstrategie der FinanzGruppe wird offensiv und unter Einsatz nicht unerheblicher finanzieller Ressourcen vorangetrieben. Die Beschlüsse und die Verantwortung müssen hierbei gemeinsam vom BVR, der Fiducia & GAD und der DZ BANK Gruppe getragen werden. Die Innovationen müssen hierbei jedoch „Spielregeln“ erfüllen, z. B. dass es keine zentrale Direktbank geben wird.

Andreas Kinser, Vorstand Grafschafter Volksbank eG Nordhorn thematisierte in seinem Vortrag „DigiCoach – Mitarbeiter fit machen für die Digitalisierung“ welchen Beitrag digital gut ausgebildete Mitarbeiter für den nachhaltigen Erfolg einer Genossenschaftsbank leisten. Laut Kinser müsse die Bank dem Kunden zukünftig als modernes „Gesamtkunstwerk“ erscheinen. Konkret leitete er sechs Konsequenzen für eine erfolgreiche digitale Zukunft ab. Erstens muss die Bank Digitalisierung durch einen guten Marktauftritt „als Ganzes“ präsentieren. Zweitens darf die Bank nicht nur als attraktiv, sondern muss darüber hinaus als „sexy“ angesehen werden. Drittens müssen Leistungen und Produkte konsequent am Kunden ausgerichtet werden. In der vierten Konsequenz „Bank intern“ legte Herr Kinser nahe, dass die Bank alles digitalisieren muss was digitalisierbar ist. Fünftens muss eine notwendige Transformation hinsichtlich Kultur und Führung erfolgen. Sechstens müssen die Mitarbeiter als erfolgskritische Akteure zukünftig zwingend eine digitale Reife vorweisen. Diese Konsequenz wird in der Grafschafter Volksbank, in der die digitale Reife unter den Mitarbeitern als sehr heterogen festgestellt wurde, durch den „DigiCoach“ umgesetzt. Dieser führt freiwillige Individualgespräche mit den Mitarbeitern. Aufgrund der positiven Mitarbeiterresonanz sowie des messbaren Erfolgs (z. B. Paydirekt-Anmeldungen) hat sich die Anzahl von einem einzigen DigiCoach auf mittlerweile 34 erhöht. Neben den Mitarbeitern müsse jedoch auch der Vorstand proaktiv an einer ganzheitlichen Digitalisierung mitwirken, um als Bank erfolgreich – kurz: sexy – aufgestellt zu sein.

Dr. Wolfgang Baecker, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Westmünsterland eG Coesfeld, referierte mit dem Thema „#allesbleibtanders – Digitales Banking von Mensch zu Mensch“ über die Bedeutung der Anpassungsfähigkeit der Genossenschaftsbanken im Zuge der Digitalisierung sowie die Potenziale von Chatbots (textbasierte Dialogsysteme) zur Wahrung der filialbasierten Kundenschnittstelle. Durch die in der Praxis häufig durchgeführten Filialschließungen riskieren die Banken laut Baecker eine wichtige Kundenschnittstelle zu verlieren, die von digitalen FinTechs nicht besetzt werden kann. Ziel der VR-Bank Westmünsterland sei es daher, immer als erster Ansprechpartner über alle Vertriebskanäle hinweg zu agieren, was konkret durch mehr Service vor Ort, geringere Kosten, längere Öffnungszeiten sowie weniger Personal erreicht werden soll. Dies ist jedoch nicht nur über den direkten Filialbetrieb zu erreichen, weshalb mit „VRanzi“ ein Chatbot eingerichtet wurde, welcher dem Kunden auf Grundlage künstlicher Intelligenz Fragen beantwortet und zum Servicecenter überleiten kann. Die erfolgreiche Installierung von Chatbots wie VRanzi (92% korrekte Antworten seit Installierung im April 2018) fußt laut Baecker auf fünf Erfolgsfaktoren: Know-how bei allen Projektbeteiligten, scharfe Fokussierung (vollständige Transparenz über Projektnachfolge), operative Verantwortung im Servicecenter, interne Begeisterung sowie Markteinführung „mit Augenmaß“.

Jürgen Pütz, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Köln Bonn eG, Bonn zeigte mit seinem Vortrag „Crowdfunding – mit Plattformen für Region und Gesellschaft“ auf, wie die Genossenschaftsbanken die Idee des Crowdfunding und Crowdinvesting in die FinanzGruppe integriert haben. Im Rahmen des Crowdfunding hat jede Genossenschaftsbank die Möglichkeit eine eigene Plattform einzurichten, um regionale Crowdfunding-Projekte zu organisieren. Die Volksbank Köln Bonn eG hat mit „all zesamme“ eine eigene Plattform und übernimmt hierbei zeitgleich die Rolle des Betreibers, des Promoters, des Unterstützers und (unter bestimmten Voraussetzungen) des Spenders. Vorteile der Bank seien neben der Projektunterstützung vor allem die Möglichkeiten Kontakte zu knüpfen und so die Bekanntheit zu steigern. Beim Crowdinvesting erhalten die Investoren hingegen keine ideelle „Vergütung“, sondern eine monetäre Verzinsung. Auch einige Genossenschaftsbanken nutzen diese Möglichkeit und schaffen hierüber einen alternativen Finanzierungsweg für regionale Unternehmen, wie z. B. die VR-Bank Würzburg. Diese kooperiert hierfür mit der CrowdDesk GmbH, die eine Crowdinvesting-Plattform betreibt, wobei die Auswahl der Projekte durch die VR-Bank Würzburg erfolgt. Zwar beinhalte das Crowdinvesting-Modell der VR-Bank Würzburg viele positive Faktoren, jedoch bestehe vor allem ein Reputationsrisiko, falls die angenommenen Projekte eine unerfreuliche Entwicklung nehmen. Dies sei der Hauptgrund, weshalb die Volksbank Köln Bonn eG kein Crowdinvesting betreibt.

Abschließend widmeten sich die insgesamt fünf Diskutanten der Podiumsdiskussion unter Moderation von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl den Genossenschaftsbanken im Umfeld von Plattformen, Big Data und künstlicher Intelligenz. Dabei skizzierte zu Beginn Dr. Jan Koserski, Partner und Managing Director der Boston Consulting Group, die Digitalisierung als vermeintlich alten Bekannten, der nun ungeahnt drastische Züge offenbart. Technologischer Wandel und Kostendruck seien zwar nicht neu, aber sie würden durch ein geändertes Nutzerverhalten, erhöhte technologische Verfügbarkeit und die Konkurrenz der FinTechs in neuem Lichte erscheinen. Nötig sei es daher die Kundenschnittstelle konsequent zu überarbeiten und Mut zur Automatisierung zu zeigen. Damit könnten im Ausland bereits erzielte Entwicklungen, wie z. B. ein nahezu vollständig bargeldloser Zahlungsverkehr, auch in Deutschland nachvollzogen werden. Die Genossenschaftliche FinanzGruppe müsse sich hierbei jedoch nicht verstecken, sondern ihre Stärken ausbalancieren: Ein starker zentraler Oberbau mit gutem Rating einerseits, und eine agile, dezentrale Organisation aus den vielen Mitgliedern andererseits.

Angst vor den Entwicklungen müsse man sicherlich nicht haben, vielmehr mache die Beschäftigung bei genauer Betrachtung sogar Spaß reüssierte Dr. Christian Brauckmann, Vorstand der DZ Bank AG. Die Rolle der DZ Bank sei klar: man müsse in den Bereichen investieren, in denen es sich für eine Bank der Gruppe alleine nicht lohnen würde. VR Business Online, VR International und die elektronische Kreditakte seien nur einige von vielen erfolgreichen Beispielen. Lehren aus Projekten der Vergangenheit sei dabei gleichzeitig auch, dass man schneller werden müsse. Zudem gelte es zentral die Themen der Cloud, der Cyber Security und letztlich auch der Arbeitgeberattraktivität voranzutreiben, um der Zukunft weiterhin guten Mutes entgegen treten zu können.

Zumindest Raiffeisen würde auch heute wieder eine VR-Bank gründen, war sich Dr. Lars Witteck, Vorstand der Volksbank Mittelhessen eG, sicher – und wahrscheinlich auch erneut als Filial- und nicht als bloße Online-Bank. Schließlich stünde mit der Digitalisierung der einzelne immer mehr im Fokus und es gelte diesen nach wie vor von Mensch zu Mensch zu begegnen und nunmehr in der Rolle des trusted advisor zur Seite zu stehen. Dabei müsse man jedoch schneller, günstiger und vor allem innovativer werden, und dürfe sich nicht auf die Loyalität der neuen Generation gegenüber ihrer lokalen Bank verlassen. Ein Rückzug auf die Position des Lieferanten, der Dienstleistungen anderer auf seiner Plattform anbietet sei hingegen zu wenig. Orchestrator statt Lieferant sei hier die Maxime.

Im Rahmen der Digitalisierung auch die Mitarbeiter nicht zu vergessen mahnte sein Kollege Frank Ostertag, Vorstand der Volksbank Wildeshauser Geest eG, an. Digitalisierung funktioniere mitnichten nur nach außen, sondern könne z. B. auch erfolgreich in Form eines „internen Facebook“ zum transparenten Ideen- und Meinungsaustausch eingesetzt werden. Ein entsprechendes Projekt habe sich bereits sehr bewährt, und anders als befürchtet nicht zu Chaos, sondern zu schneller und reibungsloser geführten Diskussionsprozessen und Veränderungen geführt. Gleichzeitig ermögliche es die Technik dem Berater heute, sich dem Kunden als vorausschauender Problemlöser anzubieten.  Ein Potential, dass es zu nutzen gelte.

Dass man bei der Entwicklung interner wie externer Digitalangebote in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe dezentral organisiert ist und mitunter auch parallele Entwicklungen nicht scheut, empfindet Klaus-Peter Bruns, Vorsitzender des Vorstands der Fiducia & GAD IT AG, dabei als große Stärke. Eine klare, lineare Abarbeitung möge zwar in der Theorie wünschenswert sein, sie entspräche jedoch nicht den aktuellen Gegebenheiten. Die durch die interne Konkurrenz erzeugte Reibung erzeuge aus seiner Sicht solange positive Energie, wie man sich vor der letztlichen Umsetzung gegenüber dem Kunden abstimme. Dem pflichtete auch Herr Dr. Witteck bei, indem er betonte nicht die Größe des einzelnen Instituts sei aus seiner Sicht entscheidend um das vorhandene Digitalangebot gewinnbringend zu nutzen, sondern die gemeinsame Entscheidung für und konsequente Umsetzung einzelner, in der Gruppe erdachter Lösungen. Weitgehende Einigkeit herrschte schließlich auch in Bezug auf die nötige Zukunftsstrategie der Genossenschaftsbanken um ihr einzigartiges Geschäftsmodell auch in digitalen Zeiten erfolgreich bewahren zu können: den Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellen und die Veränderungen aktiv angehen – denn wie Prof. Theurl abschließend feststellte: „zu Tode gefürchtet ist auch gestorben“, und somit keine adäquate Strategie.

Autoren: Benedikt Lenz, Robin Schupp und Robin Wolf