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Dekanat

Prof. Dr. Johannes Becker zur Zukunft der Europäischen Union

Die nationalen Parlamentswahlen des vergangenen Jahres gingen mit einer politischen Neuausrichtung einher. Parteien mit nationaler Orientierung konnten sich dabei einem wachsenden Zulauf erfreuen. Die Zukunft der Europäischen Union erscheint dagegen ungewisser denn je.

Prof. Johannes Becker, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft I, hat im Februar 2017 sein Buch „Der Odysseus-Komplex“ veröffentlicht, in dem er einen Ausblick wagt. Für den kürzlich erschienenen Jahresrückblick der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gab Prof. Becker Antwort auf die wichtigsten Fragen zur Zukunft der Union:

Herr Becker, werden wir in zehn Jahren noch mit dem Euro bezahlen?

Ja, davon bin ich überzeugt – auch wenn nicht alle in Deutschland damit glücklich sind.

Teilen Sie die Ansicht von Kommissionspräsident Juncker, dass möglichst alle EU-Länder Teil der Eurozone werden sollten?

Überhaupt nicht. Eine Währung eignet sich nicht dazu, die Integration voranzutreiben – das ist wohl die wichtigste Lektion aus der Eurokrise. Jeder Mitgliedstaat außerhalb des Euroraums sollte Kosten und Nutzen eines Beitritts gründlich gegeneinander abwägen.

Was muss geschehen, damit der Euro nicht nur zu einer überlebensfähigen, sondern zu einer funktionstüchtigen Währung wird?

Erstens: die Banken müssen besser reguliert werden, sie müssen kleiner und stabiler werden und ihre Symbiose mit ihren Heimatstaaten kappen. Zweitens: Die Staaten müssen ihre Altschulden abbauen und einen wirksamen Weg der Schuldenkontrolle finden – die geltenden Regeln wirken nicht. Drittens braucht die Eurozone eine robuste Krisenabwehr. Zurzeit hängt alles am OMT-Programm der EZB, das ist keine nachhaltige Strategie.

Wird sich Europa unter Merkel und Macron diesen Herausforderungen stellen?

Ich fürchte nicht. Wahrscheinlicher sind kleine, symbolische Schritte wie die Einrichtung eines gemeinsamen Budgets und die Ernennung eines Euro-Finanzministers. Das schadet niemandem, aber es nützt auch nichts.