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Dekanat

Politische Rahmenbedingungen und wachsende Regulierungen – Neue Herausforderungen für Wohnungsgenossenschaften

Bericht zum 29. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“
Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl mit Referenten und Podiumsteilnehmern aus Politik und Wohnungswirtschaft

Am 28. März 2017 fand das 29. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster in Kooperation mit dem VdW Rheinland Westfalen e.V. statt. Vertreter aus der genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft referierten vor rund 125 Teilnehmern über den praktischen Umgang mit politischen Rahmenbedingungen unter besonderer Berücksichtigung ihres Förderauftrages. Im Anschluss diskutierten Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags mit Spitzenfunktionären der Wohnungswirtschaft über zukünftige Regulierungsmaßnahmen seitens der Politik und die besonderen Charakteristika der Wohnungsgenossenschaften. Insbesondere die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Entspannung der Wohnungsmärkte in wachsenden Städten wurden thematisiert.

RA Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen e.V., eröffnete das Symposium und begrüßte die zahlreichen Gäste in Münster. In einem prägnanten Überblick zu den aktuellen Herausforderungen der Wohnungsunternehmen hob Rychter insbesondere die politischen Hemmnisse zur Bereitstellung preiswerten Wohnraums hervor. Dies führte zu den Fachvorträgen über und gab bereits einen ersten Eindruck des thematischen Spektrums für die anstehende Podiumsdiskussion.

In seinem Vortrag „Wohnungsgenossenschaften wirken bei der Stadtentwicklung mit – das Projekt Hertie-Haus“ stellte Andreas Zaremba, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins zu Lünen, die Projektentwicklung des Umbaus des ehemaligen Hertie-Gebäudes in der Innenstadt von Lünen vor. n. Vor dem Hintergrund der geplanten Mischnutzung des Gebäudekomplexes bestanden besondere Anforderungen für den Rück- und Umbau der Immobilie. Zarembas positives Fazit: „Sowohl die Koordination der zahlreichen beteiligten Akteure, als auch die Kommunikation mit der Stadt, der Politik und der Öffentlichkeit konnten nur gelingen, weil wir zu jeder Zeit die volle Unterstützung der Gremien und Mitglieder unserer Genossenschaften hinter uns wussten. Die Identifikation mit dem Standort Lünen, die wir durch dieses Projekt verdeutlicht haben, wird von unseren Mitgliedern mitgetragen und honoriert.“

Ralf Niedmers, Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft Hamburg-Wandsbek von 1897 eG sprach zu seinem Thema „Wenn die Stadt den sozialen Wohnungsbau blockiert und wie eine Wohnungsgenossenschaft handeln kann – ein Erfahrungsbericht“ zeigte den anwesenden Teilnehmern mögliche Spannungsfelder und Konfliktpotenziale zwischen der strategischen Planung einer Wohnungsgenossenschaft und den zuständigen politischen Entscheidungsträgern auf. „In dem aktuellen Konflikt hilft uns die entstandene Rückendeckung, um uns weiterhin für das beste Ergebnis für unsere Genossenschaft und den Stadtteil einzusetzen.“, zeigte sich Niedmers zuversichtlich für den weiteren Planungsverlauf und gab eine Empfehlung für das Kommunikationsmanagement von Wohnungsgenossenschaften.

In dem folgenden Vortrag von Frank Esser, Vorstandsvorsitzender der Mülheimer Wohnungsbau eG wurden Möglichkeiten der internen Mietpreisgestaltung diskutiert. „Wir sind als Wohnungsgenossenschaft aktiv geworden, da wir passgenaue Zu- und Abschläge auf Mieten definieren wollten um die Transparenz der Mietpreisgestaltung zu erhöhen. Die Vorhersehbarkeit zukünftiger Preisentwicklungen ist durch die sorgfältige Kommunikation mit unseren Mitgliedern deutlich verbessert worden, sodass wir als ein verlässlicher Partner wahrgenommen werden.“ Grundsätzlich wurde in dem facettenreichen Vortrag deutlich, dass Wohnungsgenossenschaften vor dem Hintergrund ihres Förderauftrages eine ausreichende Anzahl an Instrumenten verfügen, um Mietpreise zielgerecht zu steuern.

Reinhold Schmies, Leiter der technischen Abteilung der Gemeinnützigen Wohnungs-Genossenschaft 1897 Köln rrh. eG, referierte im Anschluss über Potenziale innovativer Energiesysteme für Wohnungsgenossenschaften. Im Zentrum des Vortrages stand die Analyse einer photovoltaisch gespeisten Wärmepumpe, die ein energetisch autarkes Wohnen ermöglichen kann. Partiell kann durch dieses System bereits eine vollständige Energieautarkie hergestellt werden, wobei die Entwicklung leistungsstärkerer Batterien eine langfristige Speicherung ermöglichen könnte. „Wir haben uns vorgenommen, die bestehenden politischen Ziele der Klimapolitik durch unser Handeln als Wohnungsgenossenschaft zu unterstützen und damit gleichzeitig einen nachhaltigen Mehrwert für unsere Genossenschaftsmitglieder zu schaffen.“, fasste Schmies die strategische Ausrichtung zusammen.  

Auf die praxisorientierten Berichte aus den Genossenschaften folgte eine Podiumsdiskussion, in der Vertreter der Wohnungswirtschaft ihre Erwartungen an Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags formulierten.  Ulrich Bimberg, Präsident des VdW Rheinland Westfalen, verdeutlichte den anwesenden Politikern die soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit, mit der Wohnungsgenossenschaften bereits aktuell politische Zielstellung wie bezahlbaren Wohnraum verfolgen. Darüber hinaus wurde insbesondere die Einführung einer Gemeinnützigkeit von Wohnbauunternehmen sowohl von Bimberg, als auch von Senator a.D. Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, eindeutig abgelehnt. Priorität der wohnungspolitischen Ziele müssten zudem Reduzierung der anwachsenden Normen und Verordnungen in der Immobilienbranche sowie eine ausreichende Aktivierung von Bauland in wachsenden Regionen sein. In der folgenden Diskussion wurden die unterschiedlichen politischen Positionen der Landtagsfraktion deutlich erkennbar. Sarah Phillip und Arndt Klocke beschrieben die Weiterführung der Fördermittel für sozialen Wohnbau, einen Quartiersansatz der Stadtentwicklung und eine engere Verzahnung von Wohnen und Arbeiten als Säulen der wohnungspolitischen Strategien der aktuellen Regierungsparteien in Nordrhein-Westfalen. Barbara Schmidt von der Linkspartei erweiterte diese Positionen zusätzlich um die Forderung, durch eine Erhöhung öffentlichen Eigentums mehr sozialen Wohnraum zu schaffen. Demgegenüber erteilte Henning Rehbaum als Vertreter der CDU-Landtagsfraktion allen politischen Vorhaben eine Absage, die zu einer weiteren Verteuerung des Wohnungsbaus führen. Insbesondere eine Aussetzung der Energieeinsparverordnung (EnEV), eine Beschleunigung und Digitalisierung der Baugenehmigungsverfahren sowie eine Verbesserung der Flächenverfügbarkeit seien zeitnah zu realisieren. Zudem warnte Holger Ellerbrock von der FDP vor einer zu detaillierten Regulierung der Immobilienbranche und warb stattdessen für eine Anpassung des Landesentwicklungsplans sowie attraktive Abschreibungsraten um private Investitionen zu steigern. Abschließend sprachen sich alle Podiumsteilnehmer aus Politik und Wohnungswirtschaft dafür aus, einen einheitlichen Politikansatz zu finden, der wohnbau- und infrastrukturpolitische Anforderungen berücksichtigt. Somit konnte die Diskussion von Univ.-Prof. Theresia Theurl zu einem zielführenden Ende gebracht werden, welches nahtlos zu dem anschließenden Vortrag überleitete.

Der abschließende Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, verdeutlichte die Potenziale und Herausforderungen für Wohnungsgenossenschaften in der Kommunikation mit der Politik. Durch die zunehmende Komplexität der Rahmenbedingungen für Wohnungsgenossenschaften durch demographischen Wandel, Migrationsbewegungen oder anspruchsvolle Stadtentwicklung in urbanen Regionen gewinnt eine effiziente Kommunikation mit der Politik weiter an Bedeutung. Dabei können Wohnungsgenossenschaften auf Eigenschaften verweisen, die sie für die Politik zu einem attraktiven Gesprächspartner machen. Insbesondere in Fragen der Quartiers- und Stadtentwicklung oder der städtischen Sozialpolitik können Wohnungsgenossenschaften Partner der Kommunen sein, wenn diese um die besonderen Eigenschaften der Genossenschaften wissen.