Forschungsschwerpunkte Prof. Grossekettler
Der Lehrstuhl Finanzwissenschaft I befasst sich mit Forschungsarbeiten auf den Gebieten Finanzwissenschaft (speziell staatswirtschaftliche Allokationstheorie) und Verwaltungsökonomie, Wettbewerbstheorie sowie Dogmengeschichte und Methodologie der Wirtschaftswissenschaften.
Die meisten Forschungen am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft I bauen auf Grundlagenarbeiten zur Entwicklung ordnungspolitischer Prinzipien für den Bereich der Staatswirtschaft, zur Verwaltungsökonomie und zum so genannten Koordinationsmängel-Diagnosekonzept auf. Hiervon ausgehend wurde eine Forschungskonzeption entwickelt, der bereits seit mehr als 15 Jahren gefolgt wird und die Arbeitspläne für weitere 10 Jahre umfasst. Sie sieht eine Abfolge von Arbeiten zum Ausbau der staatswirtschaftlichen Ordnungspolitik und des Konzepts zur Koordinationsmängeldiagnose vor. Diese Arbeiten sind aufeinander abgestimmt und bauen aufeinander auf. Sie werden von Prof. Grossekettler und seinen Doktoranden getragen. Die jeweils laufenden Arbeiten werden im Rahmen des Doktorandenseminars koordiniert. Der Bereich "Dogmengeschichte und Methodologie" ist davon unabhängig und umfasst Einzelarbeiten.
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Finanzwissenschaft (speziell staatswirtschaftliche Allokationstheorie und Verwaltungsökonomik/New Public Management) Im Rahmen dieses Forschungsschwerpunktes wird auf der Grundlage ordnungspolitischer Prinzipien und mit Hilfe der finanzwissenschaftlichen Theorie der Einfluss staatlicher Allokationsentscheidungen und Verwaltungsstrukturen auf die Volkswirtschaft untersucht. Konkret geht es um die prinzipiengeleitete Generierung von Lösungsvorschlägen für manchmal als "Staatsversagen" bezeichnete Fehler der Finanzverfassung. Wesentliches Kennzeichen der Arbeit in diesem Feld soll ihr Praxisbezug sein. Dieser Praxisbezug wird durch die Mitgliedschaft von Prof. Grossekettler im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums erleichtert und durch die Zusammenarbeit mit Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt, Finanzminister Rheinland-Pfalz Prof. Dr. Ingolf Deubel, Kämmerer Prof. Dr. Ludger Sander und dem ehemaligen Kanzler der Universität Münster Prof. Dr. Klaus Anderbrügge unterstützt. 1. Weiterentwicklung ordnungspolitischer Prinzipien Die Konkretisierung ordnungspolitischer Prinzipien und ihre Anwendung auf wirtschaftspolitische Fragestellungen standen im Mittelpunkt mehrerer Aufsätze von Prof. Grossekettler. Diese Arbeiten beschäftigen sich mit der Wiederbelebung und Weiterentwicklung des Leitbilds der Sozialen Marktwirtschaft. In Anlehnung an ordoliberale Prinzipien münden sie in einem Katalog von Kriterien, denen Ziele staatlicher Eingriffe und Maßnahmen zu ihrer Durchführung genügen sollten. Es wird gezeigt, wie diese Kriterien auf Probleme der Wettbewerbs- und Finanzpolitik angewendet werden können. Konkrete Anwendungsgebiete im Rahmen der staatswirtschaftlichen Ordnungspolitik werden in Promotionsvorhaben zur Behandlung von Strukturkrisen, zur Entwicklung des Haushaltsrechts als Reaktion auf Funktionsdefekte, zur Funktionsfähigkeit gebietskörperschaftlicher Steuersysteme sowie zum Organisationsrecht staatlicher Organe untersucht. Gegenwärtige Forschungsprojekte: a) Struktur und Funktionsfähigkeit gebietskörperschaftlicher Steuersysteme b) Die Umstrukturierungsordnung als Rahmenvorschrift zur Heilung von Strukturkrisen 2. Finanzverfassung Im Rahmen der Anwendung ordnungspolitischer Grundsätze und der Kollektivgütertheorie werden Anforderungen an eine Finanzverfassung formuliert. Insbesondere werden Bereitstellungsaufgaben und -kompetenzen des Staates im Allokations-, Distributions- und Stabilisierungsbereich normativ untersucht, aus denen sich Regelungsdefizite der geltenden Finanzverfassung ableiten lassen. Hier liegen die konkreten Anknüpfungspunkte der Arbeiten zu gebietskörperschaftlichen Steuersystemen, zur EU-Finanzverfassung und zur ökonomischen Analyse des Staatsorganisationsrechts. Dipl.-Volkswirt U. Wibbeke untersucht in seiner Studie, welche Organisationsregeln, d.h. Regeln für die Zuteilung von Entscheidungs-, Aufgaben-, Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, sich aus der Theorie des Föderalismus und der Kollektivgütertheorie ableiten lassen und wie sie auf die Bundesrepublik Deutschland angewendet worden sind bzw. angewendet werden sollten. 3. Privatisierung und Deregulierung Die ordnungspolitischen Grundsätze werden auf die Fragen der Privatisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung angewendet. 4. Weiterentwicklung des Beurteilungsinstrumentariums für die staatliche Tätigkeit Zur Beurteilung staatlicher Maßnahmen gibt es eine Reihe von Kennziffern und Untersuchungsmethoden. Die adäquate Abbildung des Umfangs staatlicher Tätigkeit ist vor dem Hintergrund der Klagen über unangemessene Belastungen der privaten Wirtschaft eine wichtige Aufgabe. Prof. Grossekettler macht zu diesem Problemgebiet in seiner Berichterstattung über die Finanzpolitik der Deutschen Wiedervereinigung einige neue Vorschläge. Auf eine bessere Erfassung der bislang außerhalb jeder Berichterstattung liegenden Nebenkosten von Gesetzen zielt das Promotionsvorhaben von Dipl.-Volkswirt C. Langer. Er untersucht die in den meisten OECD-Staaten außerhalb Deutschlands angewendeten Verfahren zur Gesetzesfolgenabschätzung und überprüft Möglichkeiten ihrer Verknüpfung mit einer prinzipiengeleiteten Wirtschaftspolitik ordoliberaler Prägung. |
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Wettbewerbstheorie und -politik (insbesondere Koordinationsmängel-Diagnosekonzept) In diesem Schwerpunkt werden am Lehrstuhl hauptsächlich Fragen behandelt, die das so genannte Konzept zur Koordinationsmängeldiagnose (KMD-Konzept) betreffen. Dieses wurde von Prof. Grossekettler entwickelt und wird in zahlreichen Dissertationen angewendet und ausgebaut. Es dient der Beurteilung der Funktionsfähigkeit von Märkten und zeigt, welche funktionalen Marktprozesse es gibt, wodurch ihr Ablauf bestimmt wird, welche systematischen und dauerhaften Funktionsstörungen ( = Koordinationsmängel) auftreten können, welche Kenngrößen zu ihrer Diagnose in der Erfahrungswelt anwendbar und wie die Verteilungen ihrer Werte beschaffen sind. Nachdem 1996 die letzten Studien zur empirischen Validierung von Indikatoren für die fünf im KMD beobachteten Marktprozesse abgeschlossen wurden, verfolgten die Arbeiten zu diesem Schwerpunkt im Berichtszeitraum vor allem zwei Ziele: die Erstellung von Branchenstudien und die Entwicklung eines KMD-Kartellchecks. 1. Marktstudien Im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland erstell(t)en die Diplom-Volkswirtinnen Dr. S. Gromer und A. Stetter in Zusammenarbeit mit Marktforschungsinstituten und Branchenverbänden KMD-Arbeiten zur Automobil- und Maschinenbauindustrie. 2. Entwicklung eines KMD-Kartellchecks Die wohlfahrtsschädliche Wirkung von Kartellen lässt sich angesichts der Uneinigkeit der Ökonomen über die Bewertung "angemessener Marktergebnisse" nicht leicht erkennen. In Arbeiten zum KMD-Schwerpunkt wird deshalb untersucht, ob sich bei der Ex-post-Untersuchung von aufgedeckten Kartellen bestimmte typische Muster von Marktprozessen identifizieren lassen, die kartellierte Märkte von nicht-kartellierten unterscheiden. Aus der Zusammenschau signifikant anderer Verläufe beispielsweise von Differenzmengen, Kapazitätswachstumsraten oder Forschungsausgaben soll ein "Kartell-Syndrom" entwickelt werden, das als "KMD-Kartellcheck" den Wettbewerbsbehörden die genauere Überprüfung kartellverdächtiger Märkte nahelegen soll. Eine entsprechende Dissertation wurde von Dr. C. Lorenz bearbeitet. 3. Wettbewerbsgesetzgebung und Koordinationsmängeldiagnose Welche Funktionsanforderungen sind grundsätzlich an Wettbewerbsgesetze zu stellen, damit Marktprozesse in der von Ökonomen gewünschten Weise funktionieren? Dieser Frage geht Dipl.-Volkswirtin S. Hendrikx in ihrem Dissertationsprojekt nach, indem sie unter Zuhilfenahme des KMD-Konzepts die Wettbewerbsgesetze in ausgewählten Staaten vergleicht. |
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Dogmengeschichte und Methodologie der Wirtschaftswissenschaften Die Arbeit in diesem Forschungsbereich ist darauf gerichtet, die Geschichte der ökonomischen Theoriebildung zu beleuchten und die Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung einzelner Forschungsrichtungen zu analysieren. Eng damit verknüpft sind Fragen der Methodik zur Analyse ökonomischer Probleme. Im Berichtszeitraum hatte dieser Forschungsbereich zwei Schwerpunkte: Zum einen hat Prof. Grossekettler sich mit zwei deutschsprachigen Vorläufern der Law and Economics-Schule auseinandergesetzt: Franz Böhm, der Mitbegründer der Freiburger Schule, hat in seinen Arbeiten über die Wirtschaftsverfassung bereits implizit die Möglichkeit der Nutzbarmachung von Transaktionskosten für die Soziokatalyse erkannt; durch gezielte Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen können gesamtwirtschaftlich wünschenswerte Handlungen erleichtert und schädliche inhibiert werden. Lorenz von Stein gebührt ein Platz in der Vorgeschichte von Law and Economics, weil er sich frühzeitig mit der Entwicklung eines effizienten Rechtssystems auseinandergesetzt und in seinen Vorschlägen für ein rationales Steuersystem und in seinen Regeln für die Staatsverschuldung Umsetzungsvorschläge unterbreitet hat. Zweiter Schwerpunkt dieses Forschungsbereichs war die Auseinandersetzung mit Knut Wicksell: Die in seinen "Finanztheoretischen Untersuchungen" aufgestellten Grundregeln für die Bereitstellung von Kollektivgütern sind, wenn man einige neuere Erkenntnisse der Politischen Ökonomie hinzufügt, auch (bzw. gerade) heute bedeutsam. Sie können den Weg zu einem "Gebührenstaat" weisen und somit viele der Mängel des heutigen "Steuerstaates" beseitigen helfen. |
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Weiterentwicklung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft im Lichte der Institutionenökonomik Gestützt auf seine langjährigen Forschungen zu Ordoliberalismus und Sozialer Marktwirtschaft veröffentlicht Prof. Grossekettler regelmäßig Arbeiten über die Weiterentwicklung des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft. Sein besonderes Anliegen ist es zu zeigen, dass die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik von den Gründungsvätern der Sozialen Marktwirtschaft implizit vorgedacht wurden und sich für eine Revitalisierung des Ordoliberalismus nutzen lassen. Zweiter Schwerpunkt der Veröffentlichungen zu diesem Forschungsgebiet ist das so genannte Implementationsproblem, also die Frage, wie sich allen Eigen- und Kurzfristinteressen im politischen Prozess zum Trotz eine funktionsfähige Wirtschaftsverfassung durchsetzen und aufrechterhalten lässt. |