Alumni Story: Dr. Sandra Bell
Viele Studierende haben bestimmt schon mal etwas von Beiräten in Unternehmen gehört. Doch was wird dort eigentlich gemacht und wie wird entschieden, wie in einem Beirat genau gearbeitet wird? Für einen Blick hinter die Kulissen haben wir mit Dr. Sandra Bell gesprochen. Sie ist Mitglied des Beirats der Dr. Wolff Group, hat an der Universität Münster von 1997 bis 2002 BWL und Sinologie studiert und arbeitet heute als CEO von Winkelmann Building + Industry.
Nach dem Abschluss ihres Diploms an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät startete Sandra Bell ihre berufliche Laufbahn bei dem Beratungsunternehmen The Boston Consulting Group und promovierte dann im Rahmen einer Auszeit an der Universität Duisburg-Essen. Während ihrer beruflichen Stationen bei Henkel, Hershey und zuletzt als Chief Global Marketing Officer & Member of the Global Executive Board der Viega Group zog es Sandra Bell immer wieder für einige Jahre nach Shanghai. Heute ist sie ausgewiesene China-Expertin und spezialisiert auf Business Transformation, Strategie, Go-to-Market und Digitalisierung.
Im Gespräch mit Sandra Bell erfahren wir mehr über die Arbeit in einem Beirat sowie das Leben in China und blicken zurück auf ihre Zeit an der Universität Münster.
Liebe Frau Bell, wie müssen wir uns die Arbeit in einem Beirat vorstellen? Welche Entscheidungen werden dort getroffen und inwiefern können Sie Unternehmensentwicklungen mitgestalten?
Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Beiräten. Beiräte, die nur beratend tätig sind; und Beiräte, die wie ein Aufsichtsrat bei Aktiengesellschaften das operative Management also den CEO und die Geschäftsführung kontrollieren, die Strategie mitfestlegen, die Jahresbudgets freigeben, und relevante Personalentscheidungen fällen. Bei Dr. Wolff ist der Beirat kontrollierend tätig. D.h. wir sind gegenüber den Gesellschaftern des Unternehmens verantwortlich und stellen sicher, dass die Interessen der Gesellschafter gewahrt werden. Im Fall Dr. Wolff sind das die Interessen der Gründerfamilie und ihre Erben. Der Beirat wird von dem Vorsitzenden des Beirates geleitet und orchestriert. Der Beirat trifft die Geschäftsführung regelmäßig, bekommt die Performance des Unternehmens erklärt und stellt manchmal auch unangenehme Fragen. Im Fall Dr. Wolff sind Gesellschafter gleichzeitig auch in der operativen Geschäftsführung tätig. Das macht das Themenfeld bunt und anspruchsvoll zu gleich.
Sie haben eine Zeit lang in Shanghai gelebt. Was können Sie Menschen mit auf den Weg geben, die es beruflich auch in ein anderes Land verschlägt?
Andere Länder und Kulturen empfinde ich als sehr bereichernd für die eigene Persönlichkeit. Als ich 1999 nach Beijing gegangen bin, um dort ein Jahr die Sprache zu studieren, gab es kein Englisch, kein digitales Wörterbuch, man musste sich durchbeißen. So lernt ich die Sprache und mich selbst unglaublich gut kennen, aber auch die Eigenheiten und Gewohnheiten der Chinesen. Man muss sich anpassen und sieht, dass es auch anders funktionieren kann, als wie man es selbst einmal in Deutschland gelernt hatte. Ich bin dadurch offener für Neues geworden, noch mehr neugierig zu hinterfragen, wieso etwas auf der einen und nicht auf der anderen Weise gemacht wird. Von den Chinesen speziell habe ich vor allem den Optimismus und Pragmatismus mitgenommen. Wenn etwas nicht klappt, nicht aufgeben, es gibt immer einen Plan B. Und wenn Du eine Idee hast, einfach machen, hartnäckig bleiben, und an Dich glauben, es wird schon klappen. Noch heute bewundere ich die damit verbundene China Speed, ihren Innovations- und Lernwille. Gleichzeitig habe ich aber auch mitgenommen, dass es die lokale Sprache braucht, um eine Kultur kennenzulernen. In Shanghai habe ich viele Ausländer und Expats kennengelernt. Leider gibt es beruflich sehr wenig Zeit, parallel zum Job Chinesisch zu lernen. Damit verpasst man viel und hat wenig Zugang zu den Menschen. Ich kann nur alle jungen Leute ermutigen, früh im Leben Sprachen zu lernen; die Sprache ist der Schlüssel zum Dialog und Verständnis für die anderen Menschen.
Inwiefern hat Sie das Studium an der Universität Münster auf Ihre Karriere vorbereitet?
Mir hat das Studium in Münster sehr gut gefallen. Ich würde es wieder genauso machen! Ich hatte das Glück, dass ich damals beides gleichzeitig studieren konnte: BWL auf Diplom und Sinologie (Chinesisch) auf Magister. Beide Studiengänge konnten nicht gegensätzlicher sein. BWL hoch professionell mit 1000 Studierende pro Semester; Sinologie nicht mehr als 30 Leute inklusive Professoren und Assistenten. Ich musste mich selbst organisieren, konnte aber eigenverantwortlich die verschiedenen Interessen unter einen Hut bekommen. Im Nachhinein, auch wenn einige stöhnen werden, es ist gut, dass an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät so viel wert auf Rechnungswesen & Controlling gelegt wurde, großes Danke an Professor Baetge an dieser Stelle. Final geht es im Management immer darum die P&L (Profit & Loss) und den Cash eines Unternehmens zu verstehen und zu optimieren. Ich selbst hatte die Schwerpunkte Marketing und Internationales Markt Management. Beides bereichert mich noch heute, wenn es darum geht die Kundenbedürfnisse zu verstehen und sie im Unternehmen in Produkte zu übersetzen und zu erfüllen. Keiner war schon damals führt in den Customer Journeys wie Professor Meffert im Consumer Bereich und Professor Backhaus auf der B2B Industrie-Seite.
Viele Studierende überlegen häufig lange in welchem Bereich sie mal arbeiten möchten. Haben Sie sich nach Ihrem Studium für eine ganz bestimmt Branche entschieden?
Ich fand Unternehmen schon immer faszinierend, daher hatte ich mich recht früh entschieden, BWL zu studieren. Ich konnte mich aber im und nach dem Studium überhaupt nicht für eine Branche entscheiden. Ich hatte zwar einige Praktika in den Semesterferien absolviert bei Siemens, bei KPMG, bei L’Oreal, hatte dann aber final entschieden, mich bei den Top Beratungen zu bewerben. Wenn einer von den globalen Top3 mich nehmen würde, dann würde ich Beratung machen - also die Entscheidung für eine Branche aufschieben. Backup-Option wäre dann ein international breit-aufgestellte Traineeprogramme gewesen, Mercedes Benz fand ich damals spannend. 20+ Jahre später muss ich sagen, ich habe mich immer gerne auf der Kunden- und Strategie-Seite bewegt, egal welche Branche. Heutzutage geht es mehr um eine Entscheidung für die nächsten 3 Jahre, man hat so viele Optionen, man sollte sich Entscheidungen nicht zu schwermachen. Einfach flexible und offen bleiben, dann ist alles möglich!