Alumni Story: Lars Ehlers

Die Ford Motor Company blickt auf eine mittlerweile über hundertzwanzigjährige Geschichte zurück, davon fast 100 Jahre Auto-Produktion in Deutschland. Gegründet im Jahr 1903 von Henry Ford, machte sich das Unternehmen mit dem Modell T, dem ersten am Fließband gefertigten Auto, schnell einen Namen. Ford ist heute einer der zehn größten Autohersteller der Welt. Einer der uns Einblicke hinter die Kulissen dieses Unternehmens gewähren kann, ist unser Alumnus Lars Ehlers. Er studierte an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zunächst Wirtschaftsinformatik und blieb der Fakultät nach dem Ende seines Studiums zunächst noch als Doktorand erhalten. Nach Abschluss seiner Promotion im Bereich Content Management Systeme begann er seine außeruniversitäre Laufbahn bei den Ford-Werken in Köln als Business Analyst in der IT. Bis heute ist Lars Ehlers den Ford-Werken treu geblieben und ist dort heute als IT-Manger tätig. Im Interview erfahren wir mehr über den beruflichen Werdegang von Lars Ehlers bei Ford und seine Learnings im Bereich der Personalführung.

Lieber Herr Ehlers, wie können wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen? Was sind Ihre Aufgaben als IT-Manager bei Ford?

Für die Tage der Woche habe ich mir einen regelmäßigen Terminplan erstellt und treffe mich einzeln mit den Mitgliedern aus meinem Team. So vermeide ich Ping-Pong per Mail, weil wir fast alles dort besprechen und direkt weiterbringen können. Für laufende Projekte bin ich unterschiedlich eingebunden: Wenn zu Beginn viele Optionen offenstehen oder auch erstmal die elementaren Funktionalitäten der Applikation ermittelt werden müssen, bin ich direkter und häufiger involviert. Sobald die agilen Iterationen reibungslos laufen, ist meine Hilfe dann weniger gefragt. Gespräche und Klärungen mit externen Service-Providern und auch Treffen mit Vertretern der Händler sind regelmäßig notwendig, um Ideen für Verbesserungen zu finden oder Änderungen zu erklären, die sich aus den strategischen Weichenstellungen des eigenen Unternehmens ergeben. Für einzelne Punkte kann es nötig sein, eine Fragestellung in der "passenden" Weise zu visualisieren. Was jedoch "passend" ist, bekommt man erst nach einigen Tagen Datensammlung und Gesprächen mit den richtigen Stakeholdern heraus.

Sie sind mittlerweile seit über 20 Jahren bei Ford. Welche Vorteile sehen Sie darin, lange in einem Unternehmen zu bleiben?

Ich kann ehrlich sagen, dass ich noch keinen Tag im Unternehmen bereut habe. In den 20 Jahren habe ich mittlerweile zehn völlig verschiedene Positionen ausgeübt, teilweise als "Firefighter" nur wenige Monate, andere Positionen teilweise mehrere Jahre. Bei jedem Job-Wechsel innerhalb des Unternehmens waren stets neue Business-Probleme zu lösen: Im europäischen Teilezentrallager bestehen komplett andere Fragestellungen als bei der globalen innerbetrieblichen Leistungsverrechnung. Daher sind auch völlig andere IT-Lösungen und Vorgehensweisen nötig. Man lernt selbst nie aus und es wird nie langweilig. Über die Zeit lernt man neben den IT-Kollegen auch Kollegen aus den Geschäftsbereichen kennen, die einen wertschätzen. So befindet man sich in einem Netzwerk von Menschen, in dem man sich gegenseitig Tipps und Hilfen geben kann - und das einem auch offen, aber wohlwollend, Feedback gibt, wenn man sich inhaltlich verrannt oder sonst einen Fehler gemacht hat. Daraus lernt man dann über die Zeit neue Vorgehensweisen. Ich mache immer noch IT und gelegentlich schaue ich mir auch noch den Source Code der Mitarbeiter aus dem Team an, aber IT ist eben viel mehr als "nur" Code. Früher hätte ich vielleicht über einiges eher abwertend "it's politics!" gedacht; heute weiß ich, dass man schneller und erfolgreicher ist, wenn man es schafft die richtigen Stakeholder zu identifizieren und für Veränderungen zu begeistern. Man wird sich also bewusst, dass es eher um "acting in the political landscape" geht.

Im Zuge Ihrer beruflichen Laufbahn hatten Sie bereits verschiedene Führungspositionen inne. Damit einher geht auch immer die Verantwortung der Ihnen unterstellten Kolleginnen und Kollegen. Was waren für Sie die größten Entwicklungen im Bereich der Personalführung? Was war das größte Learning für Sie persönlich?

Ich glaube fest daran, dass es keinen Mitarbeiter gibt, der morgens aufsteht und sich vornimmt "Heute mache ich aber mal einen richtig schlechten Job!". Sollte man also feststellen, dass keine gute Leistung erbracht wird, kann es vielschichte Ursachen haben. Wenn die allgemeine Kultur im Unternehmen stimmt, respektvoll in der eigenen Abteilung miteinander umgegangen wird und wenn Vorgesetzte sich auch hinterfragen lassen, dann kann man schon viel erreichen. Man sollte sich selbst im Klaren sein, dass man als Manager ein "Shadow of Leadership" wirft, der einen ggf. nur unbewussten oder subtilen Einfluss auf die Mitarbeiter hat. Ohne Feedback oder das eigene kritische Hinterfragen wird man das nicht erkennen. 

Spätestens wenn man als Manager andere Manager managt, muss man auch loslassen und vertrauen können. Mit regelmäßigen Skip-Level-Meetings kann man aber die allgemeine Bodenhaftung behalten - aber leider nur wenn einem die Mitarbeiter auch vertrauen, weil man verlässlich und regelbasiert arbeitet ("walk the talk" sagt der Amerikaner dazu).  Man kann die Manager im eigenen Team beraten und Hinweise geben - aber in ihrem Teilbereich müssen diese Manager dann eigenverantwortlich arbeiten. Ich habe daher Manager bewusst ihre eigenen Fehler machen lassen, auch wenn ich vorher fast sicher war, dass es schief gehen würde. Aber vielleicht ist es dann gar nicht so schief gegangen? Oder der Manger hat etwas Grundsätzliches daraus gelernt, was in Zukunft viel größere Fehler vermeidet? Oder der Manager hat sich das ganze nochmal überlegt, weil ihm plötzlich klar wurde, dass ihm die Verantwortung für die Entscheidung nicht abgenommen wurde?

Unsere ehemalige global IT-Chefin hatte hier ein einfaches Prinzip vorgelebt: "knowledge over hierarchy". So etwas ist enorm wirkmächtig für die bereits vorher gute Unternehmenskultur. Mitarbeiter haben sich darauf berufen und konnten besser ihren Input als Experten einbringen. In Kombination mit der "Results Pyramid" (Conners & Smith) kann man so eine Menge erkennen: "Wahrnehmungen" der Mitarbeiter führen zu "Überzeugungen", aus denen die Mitarbeiter dann ihre "Handlungen" ableiten. Als Vorgesetzter sehe ich nur die "Ergebnisse" dieser Handlungen am Ende. Wenn mir die Ergebnisse nicht passen, dann muss ich bereits ganz vorne an einer Veränderung der Wahrnehmungen arbeiten (ggf. muss ich mich dazu selbst anders verhalten).

Welchen Rat würden Sie den heutigen Studierenden in Bezug auf eine gute Work-Life-Balance mit auf den Weg geben?

Man könnte immer im Job mächtig Gas geben, um auf jeden Fall "alles" für einen Aufstieg zu geben. Aber man sollte sich klar sein, dass noch niemand auf dem Sterbebett gesagt hat "Verdammt, ich hätte mehr Zeit im Büro verbringen sollen."  Wer sich auf der anderen Seite des Spektrums allerdings als "Unternehmensbewohner" einrichtet und sein Privatleben optimiert, muss damit rechnen, dass irgendwann gewaltige Veränderungen über ihn hereinbrechen.

Die Möglichkeiten der eigenen Work-Life-Balance werden einerseits durch Rahmenbedingungen des Unternehmens definiert. Bei Ford können wir auch während des Tages Zeiten ausblocken. So kann man trotz Vollzeit zwischendurch für die Familie Fahrtätigkeiten für Kurse der Kinder übernehmen. Andererseits muss man auch für sich erkennen, welches Meeting und welche Aktion für einen selbst bedeutsam ist. Man muss planen und priorisieren - und das bedeutet auch, dass man bei wichtigen privaten Terminen konsequent "Nein" zu beruflichen Überscheidungen sagt. Wenn das nicht möglich ist, dann ist man ggf. im falschen Unternehmen.

Die eigene Karriere ist kein Sprint, sondern ein Marathon. In modernen Unternehmen wird niemand eine Entwicklung "nach oben" versperrt, weil die eigene Work-Life-Balance zeitweilig einen anderen Schwerpunkt hatte. Manche Management-Positionen erfordern aber vielleicht jeden Monat eine längere Dienstreise an einen anderen Standort. Man muss sich dann im Klaren sein, dass man solchen Positionen nicht anstreben kann, wenn man gleichzeitig viel Zeit im privaten Umfeld verbringen will. Karriere ist nicht nur eine Entwicklung "nach oben" in der Hierarchie. Es kann auch enorm befriedigend sein, wenn man für einen Teilbereich der Experte ist. So eine Position bietet dann eine gute Karriere und eine bessere private Vereinbarkeit. Sollte sich die eigene Lebenssituation ändern, kann es hilfreich sein, sich im Unternehmen selbständig um andere Stellen zu bemühen.

alle Alumni Stories im Überblick