Konzeption einer agentenbasierten Analyse von Dopingverhalten im Spitzensport

Westmattelmann Daniel, Hokamp Sascha, Goelden Marcel, Schewe Gerhard


Zusammenfassung
Doping stellt insbesondere im Spitzensport ein persistentes Problem dar, was zahlreiche Dopingfälle der letzten Jahrzehnte belegen. Laut Welt-Anti-Doping-Agentur (World Anti-Doping Agency, WADA) liegt der Anteil auffälliger Dopingproben in den vergangen Jahren bei rund 1 % (vgl. WADA, 2013). Diese Zahl wird sowohl von der Wissenschaft als auch von Seiten der Praxis kritisiert und gilt als deutliche Unterschätzung des realen Ausmaßes von Doping. Diese Einschätzung begründet sich vor allem darin, dass allein aus ökonomischen Gründen keine allumfassenden Kontrollen möglich sind, nicht alle verbotenen Mittel und Methoden nachgewiesen werden können sowie kaum ein Athlet Dopingmissbrauch grundlos zugeben würde (vgl. Striegel et al., 2010; Petróczi & Haugen, 2012; Breuer & Hallmann, 2013). Um das reale Ausmaß von Doping prognostizieren zu können, wurden verschiedene Methoden beispielsweise Projektionsverfahren (vgl. Anshell et al., 1991; Petróczi et al., 2008) oder Athletenbefragungen mittels einer randomisierten Antwort-Technik (Randomized Response Technique) entwickelt (vgl. Pitsch et al., 2007; Striegel et al., 2010; Breuer & Hallmann, 2013). Jedoch weisen die Prognosen erhebliche Unterschiede auf (Schätzungen ergeben Werte zwischen 6 % und 72 %) und konnten bisher nur einen geringen Beitrag zur Aufklärung leisten. Um Rückschlüsse auf das Dopingverhalten von Athleten zu erlauben, sind auf Basis der Theorie rationaler Entscheidungen (Rational Choice Theory) mehrere spieltheoretische Modelle entwickelt worden (vgl. Breivik, 1987; Maennig, 2002; Haugen, 2004; Berentsen et al., 2008). All diese Modelle weisen jedoch gegenüber einem agentenbasierten Ansatz einen relativ geringen Komplexitätsgrad auf, weil ansonsten analytische Lösbarkeit nicht mehr gegeben wäre. Eine Reihe ähnlich komplexer Problemstellungen – wie die Determinanten von Einkommensteuerhinterziehung – wurden bereits mit Hilfe von agentenbasierter Modellierung erfolgreich analysiert (vgl. Hokamp & Pickhardt, 2010; Hokamp, 2013). Um die hier aufgedeckte Forschungslücke im Anti-Dopingkampf zu schließen, haben wir auf theoretisch-konzeptioneller Basis ein agentenbasiertes Simulationsmodell entwickelt, welches Dopingverhalten erheblich detaillierter und realitätsnäher abbilden soll. Mit diesem Modell ist es möglich sowohl den Anteil entdeckter als auch den nicht entdeckter Dopingverstöße unter variierenden Umwelt- und Netzwerkbedingungen zu ermitteln. Athleten werden zum Anfangszeitpunkt der Simulationen zunächst vier Agententypen zugeordnet. Der „Rationale“ (Typ A) trifft die Entscheidung zu dopen auf Basis eines individuellen Erwartungsnutzen-Kalküls. Beim „Beeinflussbaren“ (Typ B) ist die Entscheidung vom Dopingverhalten der Athleten in seinem sozialen Umfeld abhängig. Der „Moralische“ (Typ C) verhält sich hingegen stets regelkonform und der „Erratische“ (Typ D) möchte zwar ebenfalls regelkonform handeln, verstößt jedoch unbeabsichtigt gegen Regeln wegen unzureichender Kenntnis über dieselben. Unabhängig welchem Agententypus die Athleten angehören, werden den fundamentalen Variablen („Alter“, „Fitness“ und „Konstitution“) des Modells randomisiert Werte zugeordnet. Mit Hilfe dieser Prozedur wird es möglich sportliche Leistung zu simulieren und somit eine realistische Sportlerpopulation zu generieren. Von der sportlichen Leistung hängt die individuelle Erfolgswahrscheinlichkeit der Athleten in einem simulierten Wettkampf ab. Durch Verwendung von Doping kann ein Athlet kurzfristig seine „Fitness“ und damit auch seine Erfolgswahrscheinlichkeit auf eine vordere Platzierung im Wettkampf erhöhen, was kurzfristig ein höheres Einkommen ermöglicht. Jedoch sinkt im Gegenzug seine „Konstitution“ aufgrund langfristig negativer Effekte von Doping wie beispielsweise medizinische Nebenwirkungen. In der Konsequenz sinkt bei Verwendung von Doping somit die Erfolgswahrscheinlichkeit für Folgeperioden. Um Athleten zu überprüfen bezüglich der Befolgung von Anti-Doping-Regeln, werden in Analogie zur „realen Welt“ eine zentrale Behörde nach dem Vorbild der WADA sowie Dopinglabore in das Modell aufgenommen. Im Anschluss an einen simulierten Wettkampf wird eine bestimmte Anzahl Athleten von einem Dopinglabor kontrolliert und bei aufgedecktem Dopingmissbrauch durch die zentrale Behörde sanktioniert. Im Rahmen der Simulation soll die Effektivität verschiedener Anti-Doping-Maßnahmen bestimmt werden, indem zunächst die Parameter für Kontrollhäufigkeit, Effektivität der Dopingdiagnostik sowie Nachkontrollen, Höhe der Strafen und Sperren oder Aufklärungskampagnen ceteris paribus variiert werden. Anschließend soll eine Sensitivitätsanalyse die jeweilige Parameterempfindlichkeit eruieren. Auf Basis der Effektivität verschiedenster Anti-Doping-Maßnahmen sollen sport- und wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen für eine effiziente Allokation des Anti-Doping-Budgets abgeleitet werden.

Schlüsselwörter
Doping; Agent-based Modeling



Publikationstyp
Forschungsartikel (Buchbeitrag)

Begutachtet
Ja

Publikationsstatus
Veröffentlicht

Jahr
2016

Konferenz
18. Jahrestagung Arbeitskreis Sportökonomie e.V.

Konferenzort
Bayreuth

Buchtitel
Der seltsame Fall des Dr. Jeckyll und Mr. Hyde : Homo Oeconomicus und Homo Emotionalis im Sportmanagement ; Jahrestagung (18. : 2014 : Bayreuth)

Herausgeber
Woratschek H, Germelmann C, Kaiser M

Erste Seite
15

Letzte Seite
28

Verlag
Hofmann

Ort
Schorndorf

Sprache
Deutsch

ISSN
9783778083772

ISBN
9783778083772