„Digitalisierung – Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand“

Am Donnerstag, den 14. Juni 2018, lud der Münsteraner Gesprächskreis Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung e.V. zum 32. Mal zum Münsterischen Tagesgespräch ein. Die Veranstaltung fand nach einigen Jahren wieder im Mövenpick Hotel in Münster statt.

Besuch des Kunstmuseums Pablo Picasso

Traditionell fand am Tag vor dem Münsterischen Tagesgespräch der Begrüßungsabend statt.

In diesem Jahr hatten die Tagungsteilnehmer im Picasso-Museum die Gelegenheit, die Ausstellung „Picasso – Von den Schrecken des Krieges bis zur Friedenstaube“ zu besuchen. In Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens, war dies eine von fünf Ausstellungen, die sich unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Oberthema „Frieden“ gewidmet hatte. Die Teilnehmer erfuhren durch die Führung von zwei fachkundigen Kunsthistorikerinnen viele Details etwa zum Wirken Pablo Picassos während des spanischen Bürgerkriegs, in dessen Kontext das berühmte Gemälde „Guernica“ entstand, sowie zu seinen Arbeiten während des zweiten Weltkriegs in Paris. Im Anschluss an die Führung fand ein gemeinsames Abendessen im traditionsreichen Gasthaus Leve statt.

Vorträge aus verschiedenen Perspektiven und lebhafte Diskussionen

Nachdem die Tagung durch Prof. Kirsch eröffnet wurde, standen sechs Vorträge und zwei spannende Diskussionsrunden mit den Fachreferenten auf dem Tagesprogramm. Für das Programm des Vormittags lag der Fokus zunächst darauf, das sehr umfassende Thema „Digitalisierung“ für den Mittelstand aus möglichst verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Im Programm des Nachmittags wurde ein stärkerer Schwerpunkt auf die Bereiche Rechnungslegung und Abschlussprüfung gelegt.

Als erster Referent der Tagung sprach Stefan Bley, Partner bei der Ernst & Young GmbH WPG, zum Thema „Digitalisierung im deutschen Mittelstand – Wo stehen wir heute?“. Herr Bley hob zunächst die gute wirtschaftliche Situation des deutschen Mittelstands hervor und ging darauf ein, wie der deutsche Mittelstand die Auswirkungen der Digitalisierung einschätze. Er beschrieb, dass für viele Unternehmen die disruptiven Auswirkungen der Digitalisierung zwar bekannt seien. Dennoch werde zu wenig in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle investiert. Begründet würde dies u. a. mit Personalengpässen und fehlenden finanziellen Ressourcen. Herr Bley ermutigte schließlich dazu, die gute wirtschaftliche Situation zu nutzen, um sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen.

Im Anschluss daran gab Philip Vospeter, Head of Digital Transformation bei der CLAAS KGaA mbH, im Rahmen seines Vortrags „Digital Transformation @ CLAAS – Wie die Digitalisierung Prozesse und Geschäftsmodelle verändert“ Einblicke zum Umgang mit der Digitalisierung bei CLAAS und in der Agrarindustrie. Zu Beginn ging er auf die zunehmenden Herausforderungen einer wachsenden Weltbevölkerung, der veränderten Ernährungsgewohnheiten sowie der Reduktion der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche ein. Lösung dafür seien keine größeren, sondern effizientere Maschinen und Technologien. Er betonte, dass die Digitalisierung eine Chance biete, insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung und der sinkenden landwirtschaftlichen Flächen eben diese optimal zu nutzen. Seine Ausführungen verdeutlichte er am Beispiel eigener Innovationen und der Prozesse bei CLAAS. Besonders anschaulich zeigte Herr Vospeter, wie sich auch die Organisationsstrukturen unter dem Einfluss der Digitalisierung verändern. Hierzu stellte Herr Vospeter das Konzept des sog. „CLAAS Greenhouse“ als gemeinschaftliche Projekt- und Arbeitsfläche vor.

Nach einer kurzen Kaffeepause referierte Prof. Jörg Becker, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, zum Thema „Das digitale Unternehmen“. Er verdeutlichte, dass die Beschleunigung von Rechenprozessen mit einer Beschleunigung der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Abläufe verbunden ist. Er erklärte diese Entwicklung anhand einfacher Beispiele wie der Haltedauer einer Aktie. Im weiteren Verlauf ging Prof. Becker auf Chancen ein, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Im Fokus der Betrachtung standen dabei insbesondere Chancen für klassische Unternehmen, die keine reinen digitalen Leistungen anbieten. Er betonte indes, dass es unerlässlich sei, zunächst die Prozesse eines Unternehmens klar zu analysieren und zu strukturieren, bevor durch digitale Lösungen ein Mehrwert geschaffen werden könne. Zum Ende seines Vortrags ging Prof. Becker schließlich auf das Spannungsfeld der Bereiche Recht und IT ein.

Als letzter Referent des Vormittags sprach Lutz Tilker, Partner bei Eric Salmon & Partners, zum Thema „Was von Führungskräften in der digitalen Welt erwartet wird“. Er appellierte, dass es für Führungskräfte unerlässlich sei, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen, um den Unternehmenserfolg nachhaltig sichern zu können. Herr Tilker schilderte darüber hinaus den bevorstehenden Generationenwechsel in den Führungspositionen der Unternehmen. Er betonte den zunehmenden Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte und zeigte Möglichkeiten, sich auch als mittelständisches Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen. Schließlich legte Herr Tilker dar, worauf beim Recruiting von Mitarbeitern Wert gelegt werden sollte und welche modernen Kommunikationskanäle hierzu genutzt werden können.

Zum Abschluss des Vormittags wurden die Vorträge der ersten Tagungshälfte mit den Referenten im Rahmen der Diskussionsrunde aufgegriffen und kritisch beleuchtet. Alle Referenten stimmten darin überein, dass Offenheit gegenüber Innovationen und die Aufhebung rigider konventioneller Unternehmensstrukturen nötig seien, um den Anforderungen der Digitalisierung bestmöglich gerecht zu werden.

Nach der Mittagspause leitete WP/StB Melanie Sack, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands beim Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., mit ihrem Vortrag „Auswirkungen der digitalen Transformation auf Finanzberichterstattung und Unternehmensbewertung“ in die zweite Tagungshälfte ein. Neben der Veränderung der Geschäftsmodelle von Unternehmen ging sie auf die spezifischen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rechnungslegung ein. Dabei betonte sie die steigende Relevanz immaterieller Vermögensgegenstände/Vermögenswerte sowie die veränderte Bedeutung üblicher Steuerungskennzahlen (Gewinn, EBIT, EVA, etc.). Zum Ende ihrer Ausführungen verdeutlichte Frau Sack die Einflüsse der Digitalisierung auf die Unternehmensbewertung. Sie hob hervor, dass Vergangenheitsanalysen und das steuerliche vereinfachte Ertragswertverfahren an Aussagekraft verlieren würden und stellte einige alternative Ansätze zur Diskussion.

Den letzten Vortrag des Tages hielt WP Gregor Teipel, Partner bei HLB Dr. Stückmann und Partner mbH WPG, zum Thema „Digitalisierung und Abschlussprüfung“. Er betonte, dass sich Abschlussprüfungsprozesse stark in Richtung IT-Prüfung entwickeln werden und alte Prüfungsprozesse und Prüfungshandlungen überarbeitet werden müssten. Dabei sollte sich Wirtschaftsprüfer stark am Digitalisierungsgrad der zu prüfenden Unternehmen orientieren, der insbesondere im Mittelstand noch stark variieren könne. Zum Schluss gab er einen Ausblick auf die Zukunft des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer und stellte heraus, dass der Beruf des Wirtschaftsprüfers durch die Digitalisierung nicht zu ersetzen sei, sich aber deutlich verändern würde.

Die Vorträge des Nachmittags wurden ebenfalls mit einer Diskussion der Referenten und des Plenums abgerundet. Hierzu nahmen traditionell auch die Referenten des Vormittags noch einmal teil. Die Diskutanten kamen überein, dass trotz vieler Herausforderungen und deutlicher Veränderungen die Digitalisierung als Chance begriffen werden müsse.

Zum Abschluss der Tagung sprach Prof. Kirsch das Schlusswort. Er richtete seien herzlichen Dank an die Referenten, Teilnehmer und die Organisatoren der Veranstaltung und wünschte allen einen guten Start in die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft.