Wohnungsgenossenschaften zwischen Tradition und Moderne
Mehr als ein Drittel aller deutschen Wohnungsgenossenschaften können auf eine mehr als einhundertjährige erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Dieses kommt nicht von ungefähr, da Genossenschaften auf Prinzipien zurückgreifen können, die schon immer aktuell waren und es auch heute noch sind. Es gilt vielmehr diese genossenschaftlichen Prinzipien modern zu interpretieren und umzusetzen. Dieser Aufgabe kommt das 18. Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ nach. Es zeigt, wie Genossenschaften modern geführt werden können und wie innovative und marktnahe Ideen Genossenschaften zukunftsfähig machen.
Diese Fragen und Ideen wollen wir im bewährten Dialog von Wissenschaft und Praxis anlässlich des 18. Symposiums „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ mit Experten und Praktikern diskutieren. Den passenden Rahmen für diese Veranstaltung bilden das 100-jährige Bestehen der Baugenossenschaft Freie Scholle eG, Bielefeld und das bevorstehende Internationale Jahr der Genossenschaften 2012.
RA Alexander Rychter, M.A.
Verbandsdirektor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e.V., Düsseldorf
Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl
Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster
Programm |
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Uhrzeit | Thema |
10.00 Uhr | Begrüßung und Einführung
RA Alexander Rychter, M.A. |
10:15 Uhr | Genossenschaften modern interpretiert
Univ.-Prof. Dr. Theresia Theurl |
10.40 Uhr | 100 Jahre Geschichte als Basis für eine erfolgreiche Zukunft
Bernhard Koppmann |
11.05 Uhr |
Kaffeepause |
11.30 Uhr | Genossenschaft als Marke platzieren
Prof. Dr. Jörg Erpenbach |
11.55 Uhr | Werte und wertorientierte Unternehmensführung
Uwe Schramm |
12.20 Uhr | Selbstverwaltung – Vom Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement
Ulrich Bimberg |
12.45 Uhr |
Mittagspause |
14.00 Uhr | Wohnprojekte selbst gestalten – Eine innovative Form der Mitgliederpartizipation
Josef Joachim Reckziegel |
14.25 Uhr | Wohnen für ein ganzes Leben – Ein Wettbewerbsvorteil für Genossenschaften
Thorsten Kleinebekel |
14.50 Uhr | Junge Menschen gewinnen – Zukunft sichern
Wilfried Wollmann |
14.50 Uhr | Aus der Geschichte lernen – Das Genossenschaftsarchiv des Vereins Wohnen in Genossenschaften e.V.
Franz-Bernd Große-Wilde |
15.30 Uhr |
Ende der Veranstaltung |
Wohnungsgenossenschaften zwischen Tradition und Moderne
Am 11. Oktober 2011 fand ein weiteres Symposium „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster und des VdW Rheinland Westfalen e.V. statt. Zum Thema ‚Wohnungsgenossenschaften zwischen Tradition und Moderne‘ referierten Spitzenvertreter aus der Wohnungswirtschaft sowie aus Wissenschaft und Politik vor etwa 120 Teilnehmern. Das Symposium war eingebunden in die Jubiläumsveranstaltungen zum 100-jährigen Bestehen der Baugenossenschaft Freie Scholle eG Bielefeld. Aus diesem Grund fand das 18. Wohnungssymposium in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld und nicht wie gewohnt in Münster statt. Mit eindrucksvollen Beispielen aus Theorie und Praxis wurden die zahlreichen Aspekte des genossenschaftlichen Prinzips und seine zeitgemäße Interpretation ausgeleuchtet. Den interessierten Zuhörern wurden Impulse und Anregungen zur praktischen Umsetzung genossenschaftlicher Strategien gegeben.
v.l.n.r.: Franz-Bernd Große-Wilde, Wilfried Wollmann, Thorsten Kleinebekel, Prof. Dr. Theresia Theurl, Ulrich Bimberg, Uwe Schramm, Bernhard Koppmann, RA Alexander Rychter, Kai Schwartz, Josef Joachim Reckziegel
Herr Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen, eröffnete die Veranstaltung mit einer Begrüßung der Teilnehmer. Nach einer Gratulation an die Freie Scholle Bielefeld zum 100-jährigen Jubiläum, verdeutlichte er die Bedeutung einer modernen Interpretation des Genossenschaftsgedankens. Stabilität und Sicherheit seien die Besonderheiten von Wohnungsgenossenschaften, die es auch im Zuge steigender Herausforderungen zu fördern und zu kommunizieren gilt. Zudem verwies Herr Rychter in seinem Vortrag bereits auf das internationale Jahr der Genossenschaften, das von der UNO für 2012 ausgerufen wurde.
Verbandsdirektor RA Alexander Rychter, M.A.
Im Anschluss an die Eröffnung referierte Frau Prof. Dr. Theresia Theurl, geschäftsführende Direktorin des IfG Münster, in ihrem Vortrag „Genossenschaften modern interpretiert“ über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven von Wohnungsgenossenschaften. Das Genossenschaftsmodell, die Werte und Erfolgsfaktoren könnten modern interpretiert werden. In dem Vortrag konnte Frau Prof. Theurl bereits erste Ergebnisse einer repräsentativen IfG-GfK-Umfrage über die Einschätzung von Genossenschaften in der deutschen Bevölkerung vorstellen, die noch in diesem Jahr vom IfG veröffentlicht werden. So konnte bspw. gezeigt werden, dass Genossenschaften sich über eine hohe Akzeptanz der Mitgliedschaft in der Bevölkerung und insbesondere bei Genossenschaftsmitgliedern erfreuen können. Zudem wurde in dem Vortrag auf die Erfolgsfaktoren und Managementaufgaben der Genossenschaften, wie das Nutzen von Kooperationspotentialen oder die Herstellung von Transparenz hingewiesen.
Prof. Dr. Theresia Theurl
Mit der modernen Interpretation von Genossenschaften beschäftigten sich anschließend zudem die Referenten Bernhard Koppmann, Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Freie Scholle eG, Bielefeld, sowie Kai Schwarz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Freie Scholle eG, Bielefeld. In ihrem Vortrag ‚100 Jahre Geschichte als Basis für eine erfolgreiche Zukunft‘ stellten die beiden Referenten die Vergangenheit und die Gegenwart ihrer Wohnungsgenossenschaft dar. So ließen die Referenten die Zuhörer an der Erfolgsgeschichte der Freien Scholle, die zunächst aus einer Turnhalle und acht Wohnungen im Jahre 1911 bestand, teilhaben. Die gleichrangige Förderung von Jung und Alt und die Berücksichtigung der drei Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung bilden konsequent die Grundlage für eine zukunftsorientierte Geschäftspolitik.
Bernhard Koppmann |
Kai Schwartz |
Prof. Dr. Jörg Erpenbach, Immobilienmanagement und -marketing, BiTS Business and Information Technology School gGmbH, Iserlohn, widmete sich dem Thema ‚Genossenschaft als Marke platzieren‘. Nach einer Definition des Begriffs ‚Marke‘ ging Prof. Erpenbach auf das Markenimage der Wohnungsgenossenschaften ein. Anhand eines Praxisbeispiels, der Markenentwicklung bei dem Wohnungsverein Hagen, zeigte er, wie es gelingen kann mit Hilfe eines Markennamens, eines Logos und eines Claims ein regionales Markenimage einer Wohnungsgenossenschaft aufzubauen. Zu den wichtigsten Faktoren zum Aufbau einer Marke zählte er den Plan und das strategische Vorgehen im Rahmen eines solchen Vorhabens.
Prof. Dr. Jörg Erpenbach
‚Werte und wertorientierte Unternehmensführung‘ war der Titel des Vortrags von Herrn Uwe Schramm, Vorstandsvorsitzender, WohnBau Westmünsterland eG, Borken. In diesem ging Herr Schramm auf das Spannungsfeld zwischen der monetären Komponente und den inneren Werten der Genossenschaften ein, welches durch die aktuellen Herausforderungen immer bedeutender wird. Er verdeutlichte die aktuelle Strategie der WohnBau Westmünsterland eG um den Herausforderungen zu begegnen anhand der fünf Bereiche: Expansion, gesellschaftliches Engagement, Personalentwicklung, Portfoliomanagement und Marketing. Diese Bausteine seien die Basis für eine erfolgreiche Zukunft.
Uwe Schramm
Ein weiteres Praxisbeispiel zum Oberthema ‚Innovationen im genossenschaftlichen Management‘ stellte Herr Ulrich Bimberg, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauverein Solingen eG, vor. In seinem Vortrag ‚Selbstverwaltung – Vom Ehrenamt zum bürgerlichen Engagement‘ ging er auf die Vorteile ein, die die genossenschaftliche Unternehmensform mit sich bringt. Er stellte die Vor- und Nachteile der Bewohnerselbstverwaltung sowie das Problem des abnehmenden Engagements der Mitglieder in den Wohnungsgenossenschaften dar und verwies auf den eingeschränkten Spielraum zwischen Berufswelt und Freizeitaktivitäten. Engagement spiele bei den Mitgliedern der Wohnungsgenossenschaft auch heute noch eine wichtige Rolle, nur die Form der Mithilfe habe sich im Zeitverlauf verschoben.
Ulrich Bimberg
Herr Josef Joachim Reckziegel, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Spar- und Bauverein Konstanz eG, referierte zum Thema ‚Wohnprojekte selbst gestalten – Eine innovative Form der Mitgliederpartizipation‘. Anhand des Werkstattverfahrens stellte er ein erfolgreiches Projekt seiner Wohnungsgenossenschaft dar. Mit Hilfe des dialogischen Prinzips und der Beteiligung der Mitglieder und der Stadt bei der Projektentwicklung konnten in Konstanz Konflikte vor der Schaffung neuer Wohnsiedlungen vermieden und Missverständnisse im Dialog ausgeräumt werden. Dieses Werkstattverfahren, das Herr Reckziegel detailliert vorstellte, rief großes Interesse bei den Teilnehmern hervor.
Josef Joachim Reckziegel
Mit dem Thema ‚Wohnen für ein ganzes Leben – Ein Wettbewerbsvorteil für Genossenschaften‘ beschäftigte sich Herr Thorsten Kleinebekel, Vorstandsvorsitzender der Wohnbau Lemgo eG. In seinem Vortrag zeigte er die vielfältigen aktuellen Herausforderungen einer Wohnungsgenossenschaft auf. Im Vordergrund einer erfolgreichen Geschäftsstrategie von Genossenschaften stehe eine marktgerechte Bestandsentwicklung. Als Praxisbeispiel zur Antwort auf demografische Veränderungen und wandelnde Lebensstile verwendete er einen kürzlich durchgeführten Quartiersumbau mit einem eigenen Pflegestützpunkt für ältere Mitglieder in Lemgo.
Thorsten Kleinebekel
Unter dem Vortragstitel ‚Junge Menschen gewinnen – Zukunft sichern‘ stellte Herr Wilfried Wollmann, Vorstandsvorsitzender der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft eG, eine Erfolgsstrategie seiner Wohnungsgenossenschaft vor. Aufgrund eines geringen Anteils an jungen Mitgliedern der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft im Jahre 2000, entwickelte die Wohnungsgenossenschaft neue Konzepte um auch diese Zielgruppe zu erreichen und den Anteil junger Mitglieder zu erhöhen. Mit einer gezielten Ansprache der jungen (potentiellen) Mitglieder durch Auszubildende der Wohnungsgenossenschaft und einer Verringerung der Nutzungsgebühr für diese Altersklasse, sei es der Wohnungsgenossenschaft gelungen den Anteil der jungen Mitglieder zu erhöhen. Besonders interessant ist, dass die Idee und die Ausarbeitung des ursprünglichen Konzepts von den Auszubildenden der Wohnungsgenossenschaft entwickelt wurde.
Wilfried Wollmann
Den gelungenen Abschluss der Vortragsreihe bildeten die Ausführungen von Herrn Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender des Spar- und Bauverein eG in Dortmund und des Vereins Wohnen in Genossenschaften e.V. in Münster, über die aktuellen Arbeiten und Projekte des Vereins Wohnen in Genossenschaften e.V.. Im Rahmen des Vortrags gab Herr Große-Wilde bekannt, dass das Genossenschaftsarchiv des Vereins zukünftig unter dem Namen ‚Bernhard Koppmann Genossenschaftsarchiv‘ weitergeführt werden wird. Herr Koppmann hat sich um dieses Archiv in der Vergangenheit sehr verdient gemacht.
Publikum
Die nächste Veranstaltung der Reihe „Perspektiven für Wohnungsgenossenschaften“ findet am 20. März 2012 in Münster statt.