Wege aus der kommunalen Schuldenkrise

Untertitel: 
Ein Vortrag von Prof. Dr. Janbernd Oebbecke (Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre sowie Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität)
Freitag, 15. März 2013
WGZ BANK, Niederlassung Münster
Veranstaltungsbericht: 

Wege aus der kommunalen Schuldenkrise

Prof. Dr. Theresia Theurl
 Werner Böhnke

 

Nach einer Begrüßung der zahlreichen Teilnehmer durch Werner Böhnke, Vorstandsvorsitzender der WGZ Bank AG und zugleich Präsident des Förderrats der Forschungsgesellschaft für Genossenschaftswesen sowie Frau Prof. Dr. Theresia Theurl, Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen, analysierte Prof. Dr. Janbernd Oebbecke von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU die kommunale Schuldenkrise ausführlich. Er zeigte sich skeptisch gegenüber innovativen Ansätzen und überraschte mit einer einfachen Lösung als Ausgangsthese für das Verschuldungsproblem öffentlicher Haushalte, speziell von Kommunen: „Nicht mehr ausgeben, als einnehmen!“. Er betonte, dass sehr wohl funktionsfähige betriebswirtschaftliche Mechanismen zur Haushaltskonsolidierung existieren, deren fehlende politische Akzeptanz stelle sich jedoch im Zuge des politischen Willensbildungs- und Durchsetzungsprozesses immer wieder heraus. Dies erschwert und verzögert die Entschuldung kommunaler Haushalte.

 

Prof. Dr. Janbernd Oebbecke

 

Zunächst lohnt sich nach Prof. Oebbecke aber der Blick in die bisherige Entwicklung der Schuldenstruktur, um Informationen über deren Konsequenzen und mögliche Lösungsansätze für die Zukunft zu gewinnen. Während die kommunalen Schulden aktuell mit 133 Milliarden Euro nur einen geringen Anteil des nationalen Gesamtschuldenstands ausmachen, sind vielmehr die Unterschiedlichkeit zwischen den einzelnen Kommunen sowie die starke Dynamik der kommunalen Kreditinanspruchnahme kritisch und mit Sorge zu betrachten. So sind vor allem die Liquiditäts- bzw. Kassenkredite wegen ihrer regionalen Disparität als kritische zu bewerten. Die seit den 90er Jahren an Bedeutung gewinnenden Liquiditätskredite begründen außerdem ein besonderes Zinsrisiko für die Kommunen. Dazu kommt, dass Liquiditätskredite häufig rechtswidrig zur wiederholten Deckung von Haushaltsdefiziten verwendet werden. Die Inanspruchnahme solcher Kredite steigt mit dem Zwang des Haushaltsausgleichs, da ein Insolvenzrecht für Kommunen ebenso wenig wie ein Haftungsverbund zwischen Kommunen existiert. Als eine weitreichende Konsequenz dieser Hintergründe und weiterer Entwicklungen ist eine Abkopplung der Ausgaben von den originären Einnahmen der Kommune zu beobachten, so Professor Oebbecke. So sind steigende Einnahmen durch die Inanspruchnahme von Liquiditätskrediten zur Haushaltsdeckung zu beobachten, die mit den genannten Risiken verbunden sind.

Zur Überwindung des Problems empfiehlt Professor Oebbecke daher, die Einnahmenseite kritischer zu betrachten und gleichzeitig die verbleibenden Potenziale zur Kostenrationalisierung zu heben. Insbesondere schlägt er unter Berücksichtigung der gegebenen Möglichkeiten die Stärkung der Grundsteuer als Einnahmeninstrument und die Hebung ihrer Sätze vor. Dies sei in vielen Kommunen grundsätzlich möglich. Er zeigte auf, dass in der Praxis gerade in größeren Kommunen die Durchsetzung einer solchen Steuererhebung aufgrund der komplexeren Gremien- und Ratsstruktur erschwert wird. Dennoch sei ein solcher Entschuldungskurs sinnvoll, bedarf jedoch der Überwindung des politischen Widerstands. Viele Kommunen sind nicht bereit, die damit verbundenen politischen Kosten durch die Widerstände und die Kritik der Bürger zu tragen. Professor Oebbecke kritisierte, dass sich zahlreiche Kommunen erhoffen, eine Entschuldung über steigende Inflationsraten und ohne politischen Widerstand oder durch Stützungsmaßnahmen des Bundes zu erreichen. Damit machte er auch deutlich, dass grundsätzlich die Instrumente zur Haushaltskonsolidierung existieren, aber die Bereitschaft zur Konsolidierung unter dem starken politischen Druck nicht ausgeprägt ist.

So schlägt er auch mehr Transparenz und die Entwicklung geeigneter Indikatoren vor. Ein transparenter Vergleich zwischen den einzelnen Kommunen durch die Implementierung von Kennzahlen würde längerfristig dazu beitragen, einem höheren Konsolidierungsdruck entstehen zu lassen. Er appellierte auch an die Kommunalaufsicht, ihrer Aufgabe stärker zu folgen und den Konsolidierungsdruck gegenüber den politischen Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene zu erhöhen. Dies würde auch implizieren, dass der Ermessensspielraum für Entscheidungen, die den Kommunalhaushalt betreffen, gänzlich abgeschafft werden sollte. Sämtliche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind dabei stets konform zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zu treffen. So lautet der Schlusssatz von Prof. Oebbecke treffend: „Eine schwere Kindheit rechtfertigt keine Delinquenz“.

 

 

Die große Bedeutung und die Aktualität der Thematik wurden nicht nur durch die hohe Teilnehmerzahl, sondern auch durch die sehr intensiven, ausführlichen und facettenreichen Diskussionen im Anschluss an den Vortrag deutlich. So wurde besonders kontrovers diskutiert, ob der Einsatz einer einnahmeorientierten Konsolidierungspolitik, bspw. durch die Erhöhung der Grundsteuer, vor dem Hintergrund der begrenzten Optimierungspotenziale und der gesetzlichen Vorgaben auf der Ausgabenseite tatsächlich ein geeignetes und ausreichendes Instrument darstellen würde.

Zur Person:

Prof. Dr. Janbernd Oebbecke

Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre sowie Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität

Janbernd Oebbecke studierte Jura in Münster und promovierte 1979 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Nach seiner Habilitation und einer Tätigkeit bei einem kommunalen Spitzenverband folgte er einem Ruf an die Universität Düsseldorf, ehe er 1996 an die Universität Münster zurück kehrte, wo er seitdem die Professur für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre innehat und Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Instituts ist. Außerdem ist er neben vielen anderen Aufgaben, z.B. dem Vorsitz des Senats der Westfälischen Wilhelms-Universität, Geschäftsführen der Direktor des renommierten Freiherr-vom-Stein-Instituts an der Universität Münster.
Prof. Dr. Janbernd Oebbecke ist ein ausgewiesener Experte des Kommunalrechts. Er beschäftigt sich mit Organisationsfragen von Kommunen und Sparkassen. Sein besonderes Interesse gilt in jüngster Zeit der kommunalen Finanzierung, für die er innovative Lösungen aufzeigt.

Anläßlich der Mitgliederversammlung der Forschungsgesellschaft für Genossenschaftswesen Münster e.V. lädt die Forschungsgesellschaft zu einem öffentlichen Vortrag ein. Die Teilnahme ist kostenlos, es wird jedoch um Anmeldung bis zum 8. März 2013 per Mail, Fax oder Telefon gebeten. E-Mail: eric.meyer@wiwi.uni-muenster.de
Tel.: ++49 (0)251 / 83-2 28 01