Starker Staat, große Unternehmen: Kommt der Mittelstand unter die Räder?

Untertitel: 
Ein Vortrag von Prof. Dr. Norbert Berthold (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Dienstag, 9. März 2010
WGZ BANK, Niederlassung Münster
Vorträge: 
Veranstaltungsbericht: 

Zusammenfassung des Vortrags:

Die Entwicklungen seit Beginn der Finanzkrise haben strukturelle Probleme der Weltwirtschaft aufgedeckt. Anlässlich der Mitgliederversammlung der Forschungsgesellschaft für Genossenschaftswesen Münster e.V. entwickelte Professor Berthold von der Universität Würzburg in seinem Gastvortrag am 9. März 2010 einen „Marshall-Plan“ für Unternehmer, der langfristig strukturelle Veränderungen bewirken kann. Dabei spielen mittelständische Unternehmen eine zentrale Rolle als Treiber für die wirtschaftliche Erholung von der Krise. Damit die Transformation von wirtschaftlicher Freiheit in Wohlstand gelingen kann, kommt der Politik die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen derart zu gestalten, dass Unternehmer einen Anreiz zur wirtschaftlichen Aktivität haben.

Milliardenschwere Konjunkturprogramme sind als Reaktion auf die Finanzkrise weltweit eine populäre Maßnahme, um die negativen Konsequenzen für die Realwirtschaft und den Arbeitsmarkt abzumildern. Dass diese Maßnahmen zwar kurzfristigen Erfolg versprechen, aber langfristig nötige strukturelle Veränderungen verhindern, machte Professor Bernhard ebenso deutlich, wie die Gefahr, die von einem „zu starken Staat“ ausgeht (Beispiel: Japans hohe Schuldenquote). Um langfristig Strukturkrisen zu überwinden, sind eine expansive Fiskalpolitik und eine damit einhergehende Zementierung der Strukturen nicht förderlich. Vielmehr müssen wirtschaftliche Unsicherheiten getragen und der Status quo ständig in Frage gestellt werden. Dies ist die Aufgabe, die in einer Marktwirtschaft den Unternehmern und nicht der Politik zukommt. Dass Politiker die schlechteren Unternehmer sind, begründet der Würz-burger Wirtschaftsprofessor damit, dass einerseits ihre Distanz zu den realen Märkten zu groß sei und andererseits der Umgang mit fremden Geldern in Form von Steuereinnahmen dazu verleite, Investitionen mit zu hohem Risiko auf Kosten zukünftiger Generationen zu tätigen.

Vor diesem Hintergrund stellte Professor Berthold das „LKW-Modell“ vor: Die staatliche Regulierung muss erstens Unternehmer unternehmerisch tätig werden lassen (L), zweitens müssen Unternehmer auch unternehmen können (K) und drittens müssen sie es wollen (W). Zu strenge Auflagen und Bürokratie können unternehmerische Aktivitäten ebenso im Keim ersticken, wie unflexible Arbeitsmärkte oder eine drohende Kreditklemme. Eine Förderung des Unternehmertums könnte beispielsweise durch Privatisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung erreicht werden. Ohne eine gewisse Wertschätzung des Unternehmertums in der Gesellschaft fehlt allerdings die intrinsische Motivation der Unternehmer und damit die Basis des „Wollens“.

Abschließend zog Professor Berthold das Fazit, dass es zwar durchaus Wege aus der Strukturkrise gibt, dass zunächst aber noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind, die KMU daran hindern, als „Motoren“ für radikale Innovationen und neue Arbeitsplätze tätig zu werden. Protektionismus und eine staatliche Rettungsmanie wirken hingegen wie ein Heizlüfter in einem Iglu: Zunächst spenden sie zwar Wärme, langfristig führen sie aber dazu, dass das Dach über dem Kopf zusammenbricht.

 

Zur Person:

Prof. Dr. Norbert Berthold studierte Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Nach seiner Promotion zum Dr. rer. pol. 1980 und Habilitation 1986 für das Fach Volkswirtschaftslehre ebenfalls an der Universität Freiburg lehrte er unter anderem an den Universitäten Basel, Konstanz, Hamburg und Düsseldorf und ist seit 1990 Ordinarius für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik, an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie zahlreicher angesehener wissenschaftlicher Vereinigungen.

Prof. Dr. Norbert Berthold ist ein herausragender Beobachter und Kommentator der wirtschaftspolitischen Entwicklung und wurde hierfür im Jahre 2002 mit dem Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.