„Retail-Banking im 21. Jahrhundert – Die Reorganisation der Wertschöpfungskette

Untertitel: 
Ein Vortrag von Andreas R. Dombret (Rothschild)
Donnerstag, 25. März 2004
Münster
Vorträge: 
AnhangGröße
vortrag_dombret.pdf (241.26 KB)241.26 KB
Veranstaltungsbericht: 

Anlässlich der alljährlich durchgeführten Mitgliederversammlung lud die Forschungsgesellschaft für Genossenschaftswesen Münster e.V. am 25. März 2004 zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung ein. Andreas R. Dombret referierte zum Thema „Retail-Banking im 21. Jahrhundert – Die Reorganisation der Wertschöpfungskette“.

Andreas R. Dombret schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1987 ab. Anschließend arbeitete er in der Zentrale der Deutschen Bank, ehe er 1992 als Vice President zu JP Morgan in den M&A-Bereich wechselte. 1998 wurde er zum Geschäftsführer und 1999 zum Managing Director von JP Morgan in Deutschland ernannt. Seit April 2002 ist er Co-Sprecher der Geschäftsführung des Bankhauses Rothschild in Deutschland, wo er u.a. in der Beratung für europäische Finanzdienstleister tätig ist. Die im letzten Jahr von Andreas R. Dombret und Holger Kern (Monitor Group) veröffentlichte Monografie zur Zukunft des europäischen Retail Bankings ist sehr erfolgreich in Wissenschaft und Praxis und hat „Zündstoff“ für Diskussionen geliefert. Den Genossenschaftlichen Finanzverbund konnte Andreas R. Dombret durch Beratungsprojekte im Verbund detailliert kennen lernen, beispielsweise hat er die Fusion der DG mit der GZ-Bank zur DZ-Bank begleitet.

 

Peter Gaux, Prof. Dr. Theresia Theurl, Andreas R. Dombret

Zusammenfassung des Vortrages

„Retail-Banking im 21. Jahrhundert – Die Reorganisation der Wertschöpfungskette“

Trends im deutschen Bankenmarkt

Das Retail-Banking hat in den letzten Jahren eine enorme Renaissance erlebt und neue Konzepte werden und wurden im Finanzdienstleistungsmarkt entwickelt und umgesetzt. Ihnen gemein ist eine Form der Spezialisierung auf bestimmte Kundensegmente oder auf spezielle Teile der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette. In Deutschland ist die klassische Universalbank mit einer (zu) hohen Wertschöpfungstiefe vorherrschend, welche zunehmenden Druck ausländischer Institute deutlich spürt. Konsolidierungen innerhalb der einzelnen Verbundgruppen als auch zwischen diesen fanden in der Vergangenheit zu zaghaft statt und führten zu Ertragseinbußen. Aber auch der allgemeine Vertrauensverlust der Privatanleger hervorgerufen durch die Baisse an den Aktienmärkten in den Jahren 2000 - 2003 als auch eine Vertrauenskrise vieler institutioneller Anleger konnte die erhoffte Ertragskraft im Provisionsgeschäft nicht erfüllen. Trotz steigender Aktienkurse am deutschen Markt in den letzen 12 Monaten bleiben viele Anleger deutlich zurückhaltender als vor dem Börsencrash. In den letzten Jahren sind Nettozuflüsse in Aktien und andere Fonds zurückgegangen und phasenweise kam es sogar zu Nettoabflüssen. Das Investment Banking konnte sich jedoch in den letzten Quartalen stabilisieren und zeigt wieder ein wachsendes Momentum. Festzuhalten ist, dass das Investment Banking aber für die meisten deutschen Banken vernachlässigungswürdig ist. Die Ertragskrise ist weiterhin auf strukturelle Probleme speziell in Deutschland zurückzuführen. So musste in den letzten Jahren die Risikovorsorge fast aller deutschen Banken bedingt durch die Zunahme von Unternehmensinsolvenzen angehoben werden. Eine säulenübergreifende Untersuchung bei sieben deutschen Banken fand heraus, dass im Jahr 2001 nur zwei dieser untersuchten Banken bei der Risikovorsorge in Prozent des Kreditvolumens über dem internationalen Durchschnitt lagen, im Jahr 2002 waren es schon fünf von sieben. Bei den geringen Zinsmargen im deutschen Markt ist diese Entwicklung besonders schwerwiegend und hat die Ertragslage weiter stark belastet. Der Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast im öffentlich-rechtlichen-Sektor als auch die Einführung der Basel II-Richtlinien wird voraissichtlich zu einer Anpassung der Aktivmargen nach oben führen und die Ertragskraft stärken. Erste Tendenzen diesbezüglich sind bereits erkennbar. Der deutsche Markt ist „overbanked and overbranched“ und eine (weitere) Konsolidierung – zumindest innerhalb der Sektoren – scheint unumgänglich zu sein.

Umsetzungsempfehlungen und Strategien

Um langfristig am Markt bestehen zu können, müssen sich die einzelnen Institute und Verbünde auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren und kundenferne Aktivitäten an spezialisierte Anbieter outsourcen oder (noch) stärker in diesen Bereichen kooperieren. Erste Ansätze diesbezüglich sind erkennbar, z.B. im Transaction Banking. Bei der Umgestaltung der Wertschöpfungskette müssen sich die Banken vor allem auf die Kundenschnittstelle Fokussierung und sich auf einen Teil der Wertschöpfungskette spezialisieren. Das Vorherrschen einer fast 100%igen Wertschöpfungstiefe im deutschen Bankenmarkt sollte der Vergangenheit angehören, wenn man langfristig „überleben“ möchte. Bei der Produktentwicklung als auch bei der Infrastruktur müssen Standardisierungen und Kooperationen stattfinden um Wettbewerbsvorteile u.a. bedingt durch Skaleneffekte über erhöhte Volumina zu erzielen. Grundsätzlich lassen sich zwei Bankenmärkte identifizieren, zum einen der Massenmarkt und zum anderen der Nischenmarkt. Auf dem erstgenannten kann sich die Bank prinzipiell über „den Preis“, über „die Bequemlichkeit des Einkaufens“ und über „die Qualität“ differenzieren. Auf dem Nischenmarkt ist eine Fokussierung auf eine „Produkt- oder Kundengruppe“ empfehlenswert. Das Aufbrechen der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette führt zu vier unterschiedlichen Spezialisierungsmöglichkeiten einer Bank: Kundenspezialist, Produktentwickler, Spezialist Vertrieb und Administrator. Die Transformation zu einer in diesem Sinne spezialisierten Bank kann wie folgt durchgeführt werden: 1. Auswahl eines erfolgreichen und realisierbaren Geschäftsmodells. 2. Design von Organisation und Prozessen des neuen Unternehmens. 3. Implementierung der internen und/oder externen Transformation. 4. Kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der Geschäftsprozesse.

Kernpunkte

Auch im Retail Banking findet eine zunehmende Disaggregation der Wertschöpfungskette durch fokussierte Spezialanbieter statt. Hierbei sind verschiedene Geschäftsmodelle denkbar, die sich auf ein oder maximal 
zwei Elemente (Produktenwicklung, Kundenschnittstelle, Infrastruktur) konzentrieren. Erste Ansätze hierfür sind auch schon in Deutschland erkennbar. Das aktuelle Umfeld und die anstehenden Umwälzungen werden diese Entwicklung noch beschleunigen.

Weitere Bilder:


Andreas R. Dombret, Prof. Dr. Theresia Theurl

Andreas R. Dombret