Der genossenschaftliche Finanzverbund als Strategisches Netzwerk

Neue Wege zur Kleinheit
Autoren: 
Holger, Bonus / Rolf, Greve / Thorn, Kring / Dirk, Polster
Aus der Reihe: 
Arbeitspapier
Band: 
16
Veröffentlichungsort: 
Münster
Veröffentlichungsdatum: 
1999
Zusammenfassung: 

Der genossenschaftliche Finanzverbund diskutiert zurzeit über neue Strategien und Strukturen. Dies ist angesichts der rasanten Veränderungen auf dem Bankenmarkt unverzichtbar. Auf der Anbieterseite wird der Wettbewerb zunehmend intensiver, weil Non- und Nearbanks, Spezial- und Direktbanken sowie internationale Konkurrenten auf den Markt drängen. Infolgedessen sinken die Zinsmargen; die Bedeutung der Provisionen nimmt zu. Auf der Nachfrageseite ist ein Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt zu beobachten. Die Bankkunden sind informierter, anspruchsvoller und haben eine höhere Wechselbereitschaft. Zudem erfordern veränderte rechtliche und technologische Rahmenbedingungen Reaktionen der Finanzwirtschaft. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert wandelt sich die Rolle der Banken grundlegend. Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) hat vor diesem Hintergrund die Untersuchung ?Bündelung der Kräfte: Ein Verbund ? eine Strategie? vorgelegt, in der eine gemeinsame Strategie für den Verbund und konkrete geschäftspolitische Vorschläge entwickelt werden. Ziel der Strategie ist es, ?die Marktausschöpfung bei gleichzeitiger Verbesserung der Kostenstruktur zu erhöhen?. Obwohl die Untersuchung sehr verschiedene Handlungsfelder identifiziert, gewinnt man angesichts der aktuellen Diskussion und der sich anbahnenden ersten Umsetzungsschritte den Eindruck, dass die vielfältigen Visionen der Studie am Ende auf einen Teilaspekt reduziert werden, nämlich die Fusion vor allem auf der Primärstufe. Die Entwicklung in der Praxis scheint die Vorhersage zu bestätigen. Zahl und Tempo der Fusionen auf der Ebene der Primärbanken steigen zunehmend. Tatsächlich steht der genossenschaftliche Finanzverbund angesichts der tief greifenden Veränderungen auf den Märkten vor dem Scheideweg. Insofern bietet die Untersuchung des BVR eine erfreuliche Diskussionsgrundlage. Es müssen jedoch alle Alternativen überprüft werden. Ist die Fusion der Primärinstitute und in der Folge auch die Konzentration der Zentralbanken, Verbundinstitute und der Verbände wirklich überall Erfolg versprechend? Andere Wirtschaftsbereiche beantworten die aktuellen Herausforderungen mit neuen Konzeptionen wie der Modularisierung von Unternehmen und Kooperationsstrategien. Warum sollen diese neuen Erkenntnisse für den genossenschaftlichen Finanzverbund nicht ebenfalls von Vorteil sein? Wie kooperative Elemente für die Struktur des genossenschaftlichen Finanzverbundes fruchtbar gemacht werden können, wird in diesem Arbeitspapier eingehend betrachtet. Die vorliegende Arbeit rückt den kooperativen Charakter des Finanzverbundes in den Vordergrund und empfiehlt, die genossenschaftliche Unternehmensgruppe zu einem Strategischen Netzwerk weiterzuentwickeln. Der dazu erforderliche organisatorische Wandel betrifft den Dreiklang aus Strategie, Struktur und Kernkompetenzen. Bildlich gesprochen, bestimmt die Strategie die Richtung, die Struktur stellt den Weg dar, und die Kernkompetenzen sind die erforderlichen Fähigkeiten. Die wertvollste Ressource der Genossenschaftsbanken ist ihre Beziehung zu den Mitgliedern. Hierauf aufbauend lässt sich das ?mitgliederorientierte Beziehungsmanagement? als Kernkompetenz der Kreditgenossenschaften identifizieren. Diese Kernkompetenz setzt lokale Einbettung, Dezentralität und somit ?Kleinheit? voraus. Um sich auf das mitgliederorientierte Beziehungsmanagement konzentrieren zu können, müssen Komplementär- und Peripheriekompetenzen ausgelagert werden. Letztere können problemlos über den Markt zugekauft werden, während der Bezug von Komplementärkompetenzen kooperative Arrangements innerhalb des Unternehmensnetzwerkes erfordert, um sich gegen den Missbrauch entstehender Abhängigkeiten abzusichern. Für den genossenschaftlichen Finanzverbund bietet sich die Weiterentwicklung zu einem Strategischen Netzwerk an, das einen neuen Weg der Kleinheit bietet, ohne auf die Vorteile von Größe verzichten zu müssen.