SoSe 2017 (088237)

PD. Dr. Ulf Christian Ewert
Hauptseminar (088237) Modernes Wachstum und materieller Wohlstand – Geschichte der Industrialisierung und des Lebensstandards
Di, 14-16,  Universitätsstraße 13-17 - ETH 102, Beginn: 18.04.2017

Konsummöglichkeiten und materieller Wohlstand in modernen Volkswirtschaften sind Resultate eines fundamentalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels in der jüngeren Vergangenheit. Die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert in Europa und Nordamerika ‒ das zeigt die neuere wirtschaftshistorische Forschung ‒ kam nicht von ungefähr. Wesentliche Merkmale dieses Wandels, wie der Übergang vom traditionalen extensiven zum modernen intensiven Wachstum, die Bedeutungszunahme internationaler Märkte, der signifikante Anstieg des Lebensstandards und der Beginn massenhaften Konsums waren langfristig bereits seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert vorgezeichnet. Ebenso waren die seltener werdenden Subsistenzkrisen und der Ausbruch aus der malthusianischen Bevölkerungs- und Armutsfalle weniger Folgen der Industrialisierung, als vielmehr sie begünstigende Randbedingungen.
Im Seminar wird der Beginn des modernen Wachstums in der Proto- und Frühindustrialisierung im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert betrachtet, ebenso wie die nachfolgenden Industrialisierungsschübe bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Untersucht werden dabei anhand von Fallbeispielen aus Europa und Nordamerika insbesondere Prozesse wie technologischer Wandel, Globalisierung und die Entstehung der Konsumgesellschaft, aber auch die Frage, welche Auswirkungen modernes Wachstum für materiellen Wohlstand (z.B. Einkommen und Konsum) bzw. Wohlfahrt (z.B. Lebenserwartung, Arbeitsbedingungen, Chancengleichheit oder Umweltqualität) der Menschen im 19. und 20. Jahrhundert hatte.

Literaturhinweise:
Robert C. Allen, The Great Divergence in European Wages and Prices from the Middle Ages to the First World War, in: Explorations in Economic History 38 (2001), 411-447. Jean Beaudrillard, Die Konsumgesellschaft. Ihre Mythen, ihre Strukturen, Wiesbaden 2014. Maxine Berg, Elisabeth Eger (Hgg.), Luxury in the Eighteenth Century: Debates, Desires and Delectable Goods, Basingstoke 2003. Peter Borscheid, Clemens Wischermann (Hgg.), Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1995. John Brewer, Roy Porter (Hgg.), Consumption and the World of Goods, London 1993. Markus Cerman, Sheilagh C. Ogilvie (Hgg.), Proto-Industrialisierung in Europa: Industrielle Produktion vor dem Fabrikzeitalter, Wien 1994. John Kenneth Galbraith, Gesellschaft im Überfluß, München 1982. Markus Küpker, Janine Maegraith, Human Well-Being and the »Industrious Revolution«. Consumption, Gender and Social Capital in a German Developing Economy, 1600‒1900, in: Arbeitskreis für Agrargeschichte (AKA) / Newsletter 25 (März 2009), 19‒41. Neil McKendrick, The Consumer Revolution of Eighteenth-Century England, in: Neil McKendrick, John Brewer, John Harold Plumb (Hgg.), The Birth of a Consumer Society. The Commercialization of Eighteenth-Century England, London 1982, 9‒33. Craig Muldrew, Food, Energy and the Creation of Industriousness. Work and Material Culture in Agrarian England, 1550‒1780, Cambridge 2011. Sheilagh C. Ogilvie, Consumption, Social Capital, and the »Industrious Revolution«, in Early Modern Germany, in: Journal of Economic History 70 (2010), 287‒325. Ulrich Pfister, Proto-Industrielles Wachstum: Ein theoretisches Modell, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1998/II, 21–47. Hans-Joachim Voth, Time and Work in England, 1750‒1830, Oxford 2001.

Diese Veranstaltung im HISLSF