Klassische Fehler bei Klausuren - einige Hinweise
Bei der Korrektur von Klausuren bemerkt man (bei einigen Jahren Erfahrung mit derartigen Korrekturen), dass eine gewisse Anzahl grundlegender Bearbeitungs- bzw. Verhaltensfehler immer wieder auftritt. Diese wurden nachfolgend als Orientierungshilfe zusammengestellt.
Lesen Sie die Fragen/Aufgaben in Ruhe durch und denken Sie darüber nach!
- Oft hat man als Korrektor den Eindruck, "im falschen Film" zu sein, weil die Ausführungen nur am Rande (oder gar nicht) mit der gestellten Frage/Aufgabe zu tun haben ...
- Es entsteht der Eindruck, dass die Kandidaten die Frage/Aufgabe nur flüchtig gelesen haben, sodann einige Assoziationen vor ihrem geistigen Auge aufstiegen und sie zu denselben anschließend das gesamte vorhandene Wissen erst einmal "abgeladen" haben - ganz egal, ob das nun verlangt war oder nicht ...
- Deshalb ...
Beantworten/Bearbeiten Sie die gestellte Frage/Aufgabe und nicht irgendeine andere Frage!
Achten Sie darauf, wie viele Punkte es für die Frage/Aufgabe gibt bzw. wie viele Minuten dafür in der Punkte-/Minuten-Relation vorgesehen sind!
- Es sei die Hypothese gewagt, dass es auch bei Klausuren ein "Gesetz des sinkenden Grenznutzens des nächsten geschriebenen Satzes" gibt: Meist schreibt man am Anfang das Wichtigste nieder, dafür gibt es die meisten Punkte.
- In der Regel sollte man nur solange an einer Frage/Aufgabe arbeiten, bis ihr vorgesehenes "Zeitbudget" erschöpft ist oder man nichts mehr zu schreiben weiß.
- Wenn man nichts mehr zu schreiben weiß, sollte man nicht verkrampfen, sich nicht verbeißen, sondern lieber erst einmal zur nächsten Frage/Aufgabe übergehen. Besser, man spart sich die Zeit auf und kommt später (wenn dann noch Zeitreserven verbleiben) noch einmal auf die Frage/Aufgabe zurück.
- Abschreckendes Beispiel: Der Controlling-Student Frank H. begleitete den Lehrstuhl über viele Jahre lang und trat immer wieder zur Seminarklausur an: Er löste die von ihm bearbeiteten Fragen/Aufgaben immer 250-prozentig - aber er schaffte stets nur maximal ein Drittel der Klausur ...
Achten Sie in diesem Zusammenhang auch auf die Aufforderung in der Frage/Aufgabe, was zu tun ist!
- Normalerweise wird in der Fragestellung/Aufgabenstellung über Begrifflichkeiten wie "Nennen Sie ...", "Skizzieren Sie ...", "Erläutern Sie knapp ...", "Erläutern Sie ...", "Diskutieren Sie ...", "Beschreiben Sie ..." angedeutet, in welcher Ausführlichkeit auf die Fragestellung/Aufgabe eingegangen werden soll. Die entsprechende Punktezahl für die Fragestellung/Aufgabe gibt (über die Punkte/Minuten-Relation) einen weiteren Hinweis.
- Beispiel: "Nennen Sie fünf Automarken! (2,5 Punkte)" - Nicht selten ist zu beobachten, dass (nicht nur automobilphile) Kandidaten sich bei einer solchen Frage dann über mehrere Seiten in der Beschreibung diverser Marken sowie ihrer Vor- und Nachteile ergehen. Das bringt maximal (!) 2,5 Punkte, kostet aber Zeit, welche sicherlich an anderer Stelle mit höherem Punkteertrag eingesetzt werden könnte.
Wenden Sie nicht blind bekannte Methoden und Techniken an!
- Klausuraufgaben beinhalten oft Besonderheiten, welche die Lösung "nach Schema F" unmöglich machen - es geht bei einer solchen Aufgabe gerade darum, zu prüfen, ob die Kandidaten die anzuwendende Methode/Technik verstanden haben oder nur "blind" anwenden - die sogenannte "Transferleistung".
- Wenn man in solchen Fällen die vorgegebene Situation einfach in eine bekannte Methode/Technik "hineinpresst", kommt dabei selten etwas Sinnvolles heraus.
- Beispiel: Bei einer Klausuraufgabe ist eine Abweichungsanalyse vorzunehmen. Es existiert aber keine Beschäftigungsabweichung, da Plan- gleich Istbeschäftigung ist. Erfahrungsgemäß besteht ein Großteil der Kandidaten darauf, trotzdem eine solche auszurechnen - weil die in den Büchern halt auch immer ausgerechnet wird.
Wenn im Rahmen einer Frage/Aufgabe umfangreiche Ausführungen erforderlich sind: Gliedern Sie diese! Stellen Sie Ihre Gliederung ggf. auch explizit den Ausführungen voran!
- Ein Korrektor, der über mehrere Seiten Ihre Ausführungen liest, gewinnt keinen sonderlich guten Eindruck von Ihren Fähigkeiten, wenn thematisch alles "wie Kraut und Rüben" durcheinander geht. Es entsteht vielmehr der Eindruck von Konzeptionslosigkeit.
- Deshalb dient eine (implizite) gedankliche Gliederung zunächst schon einmal dazu, die Ausführungen "im Kopf" zu ordnen und in dieser Folge niederzuschreiben.
- Wenn es vom Umfang der Ausführungen her lohnend erscheint, kann man die Gliederung auch noch einmal denselben voranstellen, um dem lesenden Korrektor eine "idea of the shape of things to come" zu geben.
- Tabellarische Darstellungen sind bei der strukturierten Bearbeitung vieler quantitativer Aufgaben hilfreich und reduzieren die Wahrscheinlichkeit von Flüchtigkeitsfehlern. Allerdings sollte gerade bei derart eingeübten Strukturierungen vorab geprüft werden, ob Besonderheiten der Aufgabenstellung (s.o.) zu beachten sind.
Schreiben Sie leserlich!
- Man sollte eigentlich annehmen, dass das keiner weiteren Erläuterung bedarf. Wenn ein Korrektor etwas wirklich nicht lesen kann, kann es nicht bewertet werden. Spekulieren darf er nicht. Und das trifft doch öfters zu, als man denken mag.
- Zudem: Ein Korrektor ist auch nur ein Mensch und es versetzt ihn in eine durchaus gereizte Stimmung, wenn er über Seiten "Hieroglyphen" entziffern muss - das sollte sich zwar nicht in der Bewertung niederschlagen - aber kann man das immer garantieren?